Buch: "Evangelische Frauen im Dritten Reich“ (Mai 2006)

Warum beschäftigt sich die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. mit der Geschichte des Verbandes in der NS-Zeit?

Im historischen Gedächtnis der evangelischen Kirche - und seinem bedeutendsten Frauenverband, der im Jahre 1906 gegründeten "Westfälischen Frauenhilfe“ - spielen die Ereignisse des Kirchenkampfes und die Auseinandersetzungen mit dem NS-Regime eine zentrale Rolle.

Aus diesem Grund entschloss sich die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen anlässlich des 100. Gründungsjubiläums die Verbandsgeschichte während des Dritten Reiches durch die Bochumer Kirchenhistorikerin Dr. Beate von Miquel aufarbeiten zu lassen. Das am 20. Mai 2006 erschienene Buch "Evangelische Frauen im Dritten Reich. Die Westfälische Frauenhilfe 1933-1950“ ist eine Pionierarbeit. Vergleichbare Studien zu anderen evangelischen Frauenverbänden liegen bislang noch nicht vor.

Welche Themen behandelt das Buch?
Die Studie beschreibt ausführlich den Weg zur „Soester Erklärung“, mit der die Westfälische Frauenhilfe ihre enge innere Verbundenheit zur Bekennenden Kirche erklärte. Die Diskussionen um die „Soester Erklärung“ führten zu einer Spaltung der Frauenhilfe.
Etwa 10 bis 15 Prozent der Frauenhilfegruppen - mehr als bislang angenommen - verweigerten sich dem kirchenpolitischen Kurs des Verbandes und schlossen sich dem so genannten Frauendienst an, dem Dachverband deutsch-christlicher Frauengruppen.

Einen weiteren Schwerpunkt der Studie bildet das Verhältnis zwischen Frauenhilfe und nationalsozialistischen Frauenorganisationen. Während die Westfälische Frauenhilfe lange an einer einvernehmlichen Zusammenarbeit mit NS-Organisationen festhielt, war deren Kurs uneinheitlich. Lokale NS-Kader versuchten schon früh die mitgliederstarken Gruppen der Westfälischen Frauenhilfe auszuschalten. Aber erst seit etwa 1936/1937 verstärkten auch die oberen politischen Instanzen des NS-Regimes im Zeichen einer "antikonfessionellen“ Politik die Repressionen gegen die Frauenhilfe; Verbote von Kaffeeausschank, Ausflugsfahrten und Zusammenkünfte in nicht-kirchlichen Räumen betrafen besonders Frauenhilfen im Ruhrgebiet und in Minden-Ravensberg, kaum betroffen waren dagegen Gruppen im Münsterland.

Ein weiteres Feld, auf dem Westfälische Frauenhilfe und nationalsozialistische Organisationen konkurrierten, war die so genannte "Mütterarbeit“. Die Westfälische Frauenhilfe betrieb bereits seit den 1920er Jahren intensiv Müttererholungsfürsorge und Mütterschulungsarbeit, durch die Mütter aller Altersstufen auf ihren täglichen Familieneinsatz vorbereitet wurden bzw. sich von ihm durch Kuren erholen konnten.

Das NS-Regime, das die Mutterschaft ideologisch überhöhte, versuchte dieses Arbeitsfeld jedoch ganz an sich zu ziehen.
Dies gelang dem Regime allerdings nur im Falle der Mütterschulungsarbeit. Die Müttererholungsfürsorge konnte die Westfälische Frauenhilfe gegen alle Übergriffe des NS-Regimes verteidigen, nicht zuletzt deshalb, weil der zuständigen NS-Volkswohlfahrt schlicht die finanziellen Ressourcen für den Aufbau einer eigenen Müttererholungsfürsorge fehlten und sie deshalb auf Kooperationen mit der Westfälischen Frauenhilfe angewiesen war.

An welche Zielgruppen richtet sich das Buch?
Zunächst richtet es sich an die Mitglieder der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. selbst. So behandelt das Buch nicht allein die Entwicklung der Verbandsspitze, sondern schildert etwa den Ablauf des Kirchenkampfes in jenen Frauenhilfegruppen, in denen die Quellen eine detaillierte und anschauliche Schilderung der Ereignisse zuließ.
Darüber hinaus zielt das Buch auf ein fachwissenschaftliches Publikum, da es - wie Prof. Dr. Jochen-Christoph Kaiser (Marburg) in seinem Geleitwort hervorhebt - "einen wesentlichen Baustein für die Gesamtgeschichte dieses Zweigs evangelischer Frauenarbeit im 20. Jahrhundert bildet“.

Biographische Angaben:
Dr. Beate von Miquel, geb. 1968. Ev. Theologin / Historikerin. 2001-2002 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Unabhängigen Historischen Kommission zur Erforschung der Geschichte des Hauses Bertelsmann im Dritten Reich.
2002-2004 Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD in Bochum.
2004-2006 Stipendiatin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. für das Projekt "Evangelische Frauen im Dritten Reich“.
Seit März 2006 Habilitationsprojekt über „Protestantische Frauenverbände in der Bundesrepublik“.

Das Buch ist für 19,-- Euro zu erhalten - auch beim Materialdienst und Service des Landesverbandes.

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