Evangelische Fachberaterinnen aus Westfalen gegen ein Prostitutionsverbot (November 2013)

Gegen ein generelles Verbot von Prostitution haben sich in Westfalen evangelische Fachberatungsstellen für Prostituierte und Opfer von Menschenhandel ausgesprochen. Ein Verbot verhindere weder Prostitution noch Menschenhandel, sondern führe zu einer Verschiebung in die Illegalität, heißt es darin. Die betroffenen Frauen seien dann Gewalt und Ausbeutung noch schutzloser ausgeliefert und verlören die Möglichkeit, sozial- und krankenversichert zu sein. Gleichwohl sei Prostitution aber „kein Beruf wie jeder andere“. Er bedeute für die Menschen, die sich prostituieren, ein hohes Risiko, körperlich und seelisch krank und Opfer von struktureller und individueller Gewalt zu werden. Deshalb wünschten sich viele Prostituierte Unterstützung beim Ausstieg aus der Prostitution und der Entwicklung einer neuen Lebensperspektive.

Kriminalisierung verhindert, dass Hilfsangebote Prostituierte erreichen
Durch eine Kriminalisierung würde Prostitution jedoch wieder in ein Dunkelfeld abgedrängt, und Prostituierte könnten mit Hilfe und Schutzangeboten viel schwieriger oder gar nicht erreicht würden. „Ein Verbot würde Freier und Prostituierte in die Illegalität treiben. Den Nutzen davon ziehen diejenigen, die auch heute schon daran verdienen, Zuhälter und Menschenhändler“, heißt es in der Stellungnahme.

Frauen, die sich bewusst für die Prostitution entscheiden, müssten die Möglichkeit zur Ausübung unter menschenwürdigen Bedingungen erhalten. „Prostituierte und Opfer von Menschenhandel sollten mit ihren eigenen Problemen, Sorgen, Wünschen und Träumen wahrgenommen werden und nicht zur Projektionsfläche unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen werden“ schreiben die Fachberaterinnen. „Unser Ziel ist, dass Prostituierte ein gesundes, selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben in Sicherheit führen können; angstfrei und ohne finanzielle und emotionale Abhängigkeiten.“

Prostitutionsgesetz muss weiter entwickelt werden
Das Prostitutionsgesetz von 2002 geht aus Sicht der Expertinnen einen wichtigen Schritt in diese Richtung, müsse aber weiterentwickelt werden, etwa durch Arbeitsschutz- und Hygienestandards in Prostitutionsbetrieben, vereinfachten Zugang zu Krankenversicherungen und flächendeckende niederschwellige freiwillige Gesundheitsvorsorge für Prostituierte.

Um Menschenhandel effektiver bekämpfen zu können, müssten die Opfer- und Zeuginnenrechte erweitert werden, insbesondere durch Änderungen im Ausländergesetz. Gleichzeitig müsse man sich für eine effektive Entwicklungspolitik und für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung einsetzen, die Armutsmigration in die Prostitution unnötig macht. Eine Straftat hingegen sei Menschenhandel jetzt schon, und Prostitutionskunden, die bewusst zu Opfern von Menschenhandel gehen, machten sich bereits nach geltendem Recht strafbar.

Opfern von Menschenhandel wirkungsvoll helfen
Damit Opfern von Menschenhandel wirkungsvoll geholfen werden könne, brauche es ein flächendeckendes Netz von unabhängigen, fachlich kompetenten Beratungsangeboten für Prostituierte und für Opfer von Menschenhandel. Die bestehenden Beratungsstellen kämpften jedoch häufig um eine ausreichende Finanzierung oder gar um ihren Fortbestand.
Mit ihrer Stellungnahme reagierten die evangelischen Fachberaterinnen in Westfalen auf neue Diskussionen über ein Prostitutionsverbot nach schwedischem Vorbild.

In Westfalen gibt es fünf evangelische Fachberatungsstellen: Beratung für Opfer von Menschenhandel in Hagen, die Dortmunder Mitternachtsmission e.V., die Beratungsstelle für Migrantinnen in Herne, Nadeschda, Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel, und Theodora, allgemeine Prostituierten- und Ausstiegsberatung für Mädchen und junge Frauen, mit Sitz in Herford. Die Stellungnahme wurde u.a. auch in die Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen eingebracht.

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