TAMAR Südwestfalen zieht dreijährige Bilanz

(Mai 2018)

TAMAR Südwestfalen zieht dreijährige Bilanz (Mai 2018)

Es geht zwei Jahre weiter mit der Beratungsstelle TAMAR Südwestfalen. Darüber freuen sich Tanja Mesic, Birgit Reiche und Sabine Reeh (v.l.).

Nach andauerndem politischem Druck auf unterschiedlichen Ebenen können Prostituierte in Südwestfalen und Hamm sich weiterhin an die Beratungsstelle TAMAR wenden. Die Finanzierung des Projektes ProBOA „Prostitution: Beratung, Orientierung, Ausstieg“ der Beratungsstelle TAMAR sichert den Fortbestand mit zwei Stellen für zwei Jahre.

Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen hat einer Förderung des durch den Europäischen Sozialfonds kofinanzierten Einzelprojektes ProBOA zugestimmt. Durch die Trägerin, die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V., und den Bezirksverband der Siegerländer Frauenhilfen e.V. konnte die 6monatige Finanzierungslücke zur Fortsetzung der Arbeit der Beratungsstelle aus Eigenmitteln bis einschließlich März 2018 geschlossen werden.

Seit Mitte April finden Prostituierte im Hochsauerlandkreis, Märkischer Kreis, den Kreisen Olpe, Soest und Siegen-Wittgenstein sowie in der Stadt Hamm in der Startphase des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) Beratung und Begleitung durch die Mitarbeiterinnen von TAMAR. Sie erhalten Orientierung bei den neuen gesetzlichen Regelungen, Informationen über die legale Ausgestaltung ihrer Prostitutionstätigkeit, Unterstützung im Umgang mit Behörden sowie Beratung und Begleitung auf Wunsch im Ausstieg aus der Prostitution. Die Arbeit von TAMAR soll dazu beitragen, die vielfach bei Prostituierten in der Region bestehenden Vorbehalte gegenüber einer Anmeldung zu mindern und sie an die entsprechenden Behörden zu vermitteln.

Seit Oktober 2014 beraten und begleiten Mitarbeiterinnen von TAMAR Frauen, die in Clubs, Bars, Appartements, Wohnungen, Wohnwagen und Kneipen in Südwestfalen und der Stadt Hamm sexuelle Dienstleistungen anbieten. Die Arbeit der Beratungsstelle setzt sich aus dem Bereich der aufsuchenden Arbeit und der sich anschließenden Beratung und Begleitung von Prostituierten zusammen.

Wer nahm TAMAR 2017 in Anspruch?
In Jahr 2017 hat die Beratungsstelle 77 Prostitutionsbetriebe aufgesucht und 612 Frauen angetroffen. 28% der Frauen waren Rumäninnen, 19% Bulgarinnen, 10% Polinnen, 8% Thailänderinnen, 7% Russinnen und 6% Deutsche. Die aufsuchende Arbeit ist ein wesentlicher Tätigkeitsschwerpunkt der Beratungsstelle. 68% der Frauen, die anschließend weiterführende Beratung in Anspruch genommen haben, sind dadurch auf das Angebot von TAMAR aufmerksam geworden, 23 % durch Freunde und Bekannte.
Von den 612 Prostituierten arbeiteten 77 Frauen in 15 Betrieben im Hochsauerlandkreis, 96 Frauen in 15 Betrieben im Märkischen Kreis, 26 Frauen in 1 Betrieb im Kreis Olpe, 131 Frauen in 19 Betrieben im Kreis Siegen-Wittgenstein, 126 Frauen in 16 Betrieben im Kreis Soest sowie 156 Frauen in 11 Betrieben in der Stadt Hamm. Die Prostituierten haben von der Beratungsstelle in der aufsuchenden Arbeit v.a. Informationen zur Gesundheitsprävention, zu den Angeboten der Beratungsstelle und - bei Bedarf - Hilfe erhalten. Am häufigsten waren Antworten erwünscht zum Ausstieg aus der Prostitution, zur Gesundheitsvorsorge und Krankenversicherung, zur rechtlichen Aufklärung bezüglich Legalisierung der Arbeit und zu ausländerrechtlichen Fragen.

In Jahr 2017 hat die Beratungsstelle 115 Frauen intensiv psychosozial und rechtlich beraten und begleitet. 10 Klientinnen davon befinden sich im Ausstiegsprozess. Die intensive Begleitung von einzelnen Prostituierten hat weiter zugenommen. In der Intensivberatung waren im Jahr 2016 noch 75 Klientinnen und sechs davon im Ausstiegsprozess; im Jahr davor waren es 28 Klientinnen und vier davon im Ausstiegsprozess.

Die Klientinnen benötigten vor allem Unterstützung und Betreuung bei Gesprächen mit den Gesundheitsämtern, den Meldebehörden, dem Jugendamt, der Familienkasse, dem Finanzamt, Vermietern und Wohnungsbaugesellschaften, der Schuldnerberatung, Schulen und Kindergärten ihrer Kinder. Einen hohen Stellenwert nahmen die psychosozialen Beratungsgespräche ein, die den Klientinnen in einer angstfreien Atmosphäre ermöglicht, ihre Lebensperspektiven zu entwickeln und nächste Schritte der Umsetzung zu überlegen.
Darüber hinaus nehmen viele Klientinnen auch die telefonische Beratung der Beratungsstelle TAMAR in Anspruch.

Wie sehen die Erfahrungen von TAMAR aus drei Jahren aus?
In Südwestfalen und Hamm konnten die Mitarbeiterinnen seit Beginn ihrer Arbeit im Oktober 2014 insgesamt 102 unterschiedliche Prostitutionsbetriebe ausfindig machen und aufsuchen. Im Kreis Soest kennen sie 19 Prostitutionsbetriebe, im Kreis Siegen-Wittgenstein 29 Betriebe, im Hochsauerlandkreis 17 Betriebe, im Märkischen Kreis 20 Betriebe, im Kreis Olpe 3 Betriebe und in der Stadt Hamm 14 Betriebe. Zu insgesamt 1.733 verschiedenen Prostituierten hat TAMAR Kontakt aufgenommen. Im Kreis Soest zu 460 Frauen, im Kreis Siegen-Wittgenstein zu  429 Prostituierten, im Hochsauerlandkreis zu  194 Prostituierten, im Märkischen Kreis zu  241 Prostituierten, im Kreis Olpe zu  71 Prostituierten und in der Stadt Hamm zu 338 Frauen. Ca. 80% der in der Prostitution arbeitenden Frauen sind Migrantinnen. Viele von ihnen üben nach eigenen Angaben die Prostitution aus wirtschaftlicher Not aus. Die Familie darf in den meisten Fällen nicht erfahren, welcher Tätigkeit sie nachgehen. Prostitution ist vielfach tabuisiert. Aus gesellschaftlich-kulturellen und/oder religiösen Gründen können sie zu ihrer beruflichen Prostitutionstätigkeit nicht offen stehen.

Insgesamt hat die Beratungsstelle 218 Frauen intensiv psychosozial und rechtlich beraten und begleitet. 22 Klientinnen davon befanden sich im Ausstiegsprozess. Die intensive sozialarbeiterische Begleitung von einzelnen Prostituierten hat von Jahr zu Jahr zugenommen.

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