Recht auf freie Meinungsäußerung für Sexarbeitende bestätigt

(Februar 2024)

Recht auf freie Meinungsäußerung für Sexarbeitende bestätigt (Februar 2024)

Wir freuen uns sehr, dass die Berufung erfolgreich war!“ teilte Birgit Reiche, Leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e. V. (EFHiW), erleichtert mit. „Wir gratulieren Ruby Rebelde und allen Sexarbeitenden, dass ihnen die freie Meinungsäußerung mit diesem Urteil nicht mehr aberkannt wird.“ Die Geschäftsführerin sprach auch im Namen der eigenen Mitarbeitenden der Prostituiertenberatungsstellen TAMAR und THEODORA, die den Rechtsstreit intensiv verfolgten.

Das Kammergericht Berlin verhandelte am 08.02.24 die Berufung der Sexarbeiter*in und Anti-Diskriminierungstrainer*in Ruby Rebelde. Rebelde wurde 2023 für bestimmte Äußerungen von einem Verein abgemahnt, der sich für die Einführung eines „Sexkaufverbots“ in Deutschland einsetzt. Dieser beantragte auch den Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen das Vorstandsmitglied der Berliner Beratungsstelle für Prostituierte Hydra e.V. und war damit zunächst erfolgreich. Doch Rebelde legte Berufung ein.

Am 8.02.24 wurde das Urteil verkündet: Das im Juli 2023 gefällte Urteil des Landgericht Berlins wird abgeändert und die Einstweilige Verfügung auf Unterlassung bestimmter Aussagen zurückgewiesen. Die Kosten für das Verfahren hat die Gegenseite zu tragen.

Sexarbeitende müssen in der Debatte über sie und ihre Arbeit unbedingt zu Wort kommen. Was wir zu sagen haben mag für manche unangenehm sein. Der Grund: Zu wenig Wissen über die kaum aufgearbeitete Verfolgung und Diskriminierung von „Prostituierten“. Uns den Mund zu verbieten ist aber der falsche Weg.“ sagt Ruby Rebelde nach dem Gerichtstermin. „Angebracht ist eine Beschäftigung mit der eigenen Geschichte. Das Urteil ist ein positives Signal und ein kleiner Erfolg.

Hintergrund

Die EFHiW, Mitglied der ‚Initiative Respekt und Schutz für Sexarbeiter*innen‘ sowie beim bufas e.V., sicherte Ruby Rebelde bereits im August 2023 ihre Solidarität und Unterstützung zu.

Ruby Rebelde wies auf sexarbeitsfeindliche Argumentationen im Fachvortrag zum Thema „Sexarbeitsfeindlichkeit und Antifeminismus“ auf dem Fachtag der ‚Initiative Respekt und Schutz für Sexarbeiter*innen‘ am 12.5.2023 hin. Die EFHiW konnte und kann bis heute nichts Falsches, Missverständliches, Diffamierendes oder Irreführendes an den Inhalten des Vortrags von Ruby Rebelde erkennen. Ruby Rebeldes Vortrag war und ist richtig und wichtig. Die EFHiW ist nach wie vor dankbar, dass Ruby Rebelde bereit war, den Interessen von Sexarbeiter*innen eine so informierte, starke und fundierte Stimme zu geben.

Eine Unterlassungsaufforderung inklusive Anwaltsrechnungen empfindet die EFHiW als eine weitere Form der Eskalation. Dieses Vorgehen unterstreiche deutlich, dass es Sexarbeitsgegner*innen nicht um Schutz, Respekt oder Unterstützung für Sexarbeitende geht.

Die EFHiW bewertet das Vorgehen von Emma, Sisters e.V. und Ella als eine weitere Form der Repression und Einschüchterung von Sexarbeitsaktivist*innen. Aktivist*innen, Einrichtungen und Initiativen, die sich gegen das nordische Modell aussprechen, werden als „Zuhälterlobby“ diffamiert. Diese Form der Verschwörungserzählung von der „Zuhälterlobby“ hat Ruby Rebelde in ihrem Vortrag historisch und demokratietheoretisch eingeordnet.

Die Bewegung gegen „Mädchenhandel“ Anfang des vergangenen Jahrhunderts war explizit antisemitisch geprägt. Sexarbeitsgegner*innen blicken sowohl in Deutschland als auch international auf eine lange Tradition von rassistischen, antisemitischen und xenophoben Narrativen zurück.

Faktoren wie globale Ungleichheit und Armut, repressive Migrationsregime, Verstöße der EU gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, Klassismus, Behindertenfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit, die Feminisierung von Armut oder die kapitalistische Ausbeutung in ihren vielfältigen Ausprägungen außerhalb der Sexarbeit werden von Sexarbeitsgegner*innen ausgeklammert oder übersehen.

Die EFHiW hat die Trägerverantwortung für die Prostituierten- und Ausstiegsberatungen THEODORA, die in Ostwestfalen-Lippe tätig ist, sowie TAMAR, die in den Kreisen Olpe, Soest und Siegen-Wittgenstein sowie in Borken, Coesfeld, Steinfurt und der Stadt Hamm beraten und begleiten.

Weitere Informationen

Weitere Infos unter www.tamar-hilfe.de und www.theodora-owl.de

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