Offener Brief
zu Visa der Ukrainerinnen und Menschenhandel An An Sehr geehrte Frau Ministerin Fischer, als Trägerin einer Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel in Ostwestfalen, Nadeschda mit Sitz in Herford, die auch Betroffene aus der Ukraine berät, wenden wir uns heute an Sie. Wir möchten mit diesem offenen Brief klar stellen, dass uns keine weiteren Fälle als der in dem Magazin „Spiegel“ genannte bekannt sind, bei dem die Opfer von Menschenhandel aus der Ukraine mit Reiseschutzpässen eingereist sind. Dies hat eine aktuelle Umfrage bei ca. vierzig Beratungsstellen ergeben, die im Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel und Gewalt gegen Frauen im Migrationsprozess (KOK) vernetzt sind. Darüber hinaus haben unsere eigenen Recherchen bei der Dortmunder Mitternachtsmission und bei der Migrantinnenberatungsstelle im „Infozentrum Dritte Welt“ in Herne ergeben, dass auch sie keine Ukrainerinnen in der Beratung hatten und haben, die mit einem Reiseschutzpass eingereist sind. Dies gilt auch für Klientinnen der Beratungsstelle Nadeschda in Herford. Insgesamt ist für Westfalen festzustellen, dass die Zahl der Klientinnen aus der Ukraine in den Beratungsstellen im Jahr 2004 rückläufig ist. Wir müssen daher leider davon ausgehen, dass nicht das Schicksal der Betroffenen interessiert, sondern dass das Thema Menschenhandel für politische Zwecke instrumentalisiert werden soll. Ein Beispiel dafür ist die Berichterstattung des Magazins „Spiegel“ mit dem reißerischen Titel: „Grünes Licht für Menschenhändler“ vom 05.02.05. Im Vorfeld des Spiegelartikels haben verschiedene JournalistInnen bei Beratungsstellen angerufen, in der Hoffnung Fälle zu finden, bei denen Opfer von Menschenhandel auf Grund dieser Reiseschutzpässe die Einreise in der BRD ermöglicht wurde. Alle angefragten Beratungsstellen gaben an, keine solche Klientin zu kennen. Der Spiegel hielt es nicht für notwendig, diese Information zu transportieren. Stattdessen wird ein Fall - offenbar aus der Presse - zitiert. Dem Spiegel scheint es nicht gelungen zu sein, weitere Fälle „aufzutreiben“. Zu unserem Bedauern hielt dies die JournalistInnen aber nicht davon ab zu behaupten, die Reiseschutzpässe würden dem Menschenhandel Vorschub leisten. Aufgrund unserer Erfahrungen möchten wir deutlich machen, dass wir eher das Gegenteil für richtig halten. Je legaler und unabhängiger eine Frau nach Deutschland einreisen kann, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Opfer von Menschenhandel wird - weil sie weniger erpressbar ist. Wieso sollte sich ein Menschenhändler also um eine legale Einreisemöglichkeit seiner Opfer bemühen? Fatal wäre es, wenn mit dem Argument des Menschenhandels eine restriktivere Visapolitik durchgesetzt werden soll. Denn für die betroffenen Frauen würde dies eine noch stärkere Abhängigkeit von ihren Ausbeutern bedeuten. Wir hoffen, mit diesem Brief die Diskussion zu versachlichen. Mit freundlichen Grüßen gez. Angelika Weigt-Blätgen gez. Birgit Reiche Hintergrundinformation: |