Forschungsprojekt „Evangelische Frauen im NS-Staat“
(April 2005)

Anlässlich ihres 100. Jubiläums im Jahr 2006 verleiht die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. ein post-doc-Stipendium zur historischen Frauenforschung. Trotz der Tatsache, dass die „Feminisierung der Religion“ ein in der Wissenschaft grundsätzlich akzeptiertes Phänomen ist, blieb die historische wie kirchenhistorische Forschung lange hinter diesem Kenntnisstand zurück. Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. möchte daher auf diesem Feld neue Impulse setzen.

Dazu gewann sie die Bochumer Historikerin Dr. Beate von Miquel, die am Beispiel der drei Landeskirchen Hannover, Thüringen und Westfalen die Entwicklung der evangelischen Frauenarbeit zwischen 1933 und 1950 untersucht. Die westfälische Kirche wird dabei im Zentrum ihrer Forschungsarbeit liegen. Mit der Evangelischen Frauenhilfe arbeitete hier der größte deutsche protestantische Frauenverband. Im Jahre 1933 gehörten ihm etwa 155.000 Frauen in 780 Vereinen an.

Zu den wesentlichen Zielen des Forschungsvorhabens gehört es, den kirchenpolitischen Kurs der evangelischen Frauenverbände in der NS-Zeit nachzuzeichnen. Dabei sollen nicht nur die Aktivitäten der jeweiligen Verbandsleitungen im Gefüge der NS-Kirchenpolitik, sondern auch das Verhalten der Frauengruppen in den Ortsgemeinden thematisiert werden.

Für Westfalen bedeutet dies beispielsweise: Wie verhielten sich die 780 Vereine zu der im Oktober 1934 verabschiedeten Soester Erklärung, in der einer „engen Verbundenheit“ zur Bekennenden Kirche Ausdruck gegeben wurde?

Insgesamt gehörten die mitgliederstarken evangelischen Frauenverbände zu den gewichtigsten Konkurrenten nationalsozialistischer Organisationen wie der NS-Frauenschaft und der NS-Volkswohlfahrt. Daher nahmen die Repressionsmaßnahmen gegenüber der evangelischen Frauenarbeit seit 1933 kontinuierlich zu. Es ist zu fragen, welche Arbeitsgebiete von Einschränkungen betroffen waren.

Schließlich sind auch die lokalen Frauenvereine vor Ort einzubeziehen, deren Aktivitäten ebenfalls stark eingeschränkt wurden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung wird auf der Erhebung des ideologischen wie organisatorischen Wandels protestantischer Frauenarbeit im NS-Staat liegen. Wichtige Aufschlüsse werden über die mentale Durchdringung der evangelischen Frauen durch die NS-Ideologie erwartet. Dazu zählen Veränderungen des Bildes von „Weiblichkeit“, der Mutterrolle, die Position zu den eugenischen Maßnahmen des Regimes oder das Verhalten im Krieg.

Noch im Ersten Weltkrieg waren die evangelischen Frauenverbände aktiv an der Eindämmung der Kriegswirkung auf die Bevölkerung beteiligt. Wie viel Gestaltungsraum besaßen sie im Zweiten Weltkrieg?

Schließlich ist der Blick auf die Nachkriegszeit zu werfen - eine Phase zwischen Kontinuität und Neubeginn, Modernisierungsfortschritten und konservativen Überhängen. Neben dem organisatorischen Neuaufbau beschäftigten sich die Frauenverbände besonders mit der Integration der Flüchtlinge, dem § 218 und Vergewaltigungen von Frauen in den Besatzungszonen.

Fenster schließen