Konferenz zum Thema Prostitution (April 2008)

„Prostitution ist Arbeit. Damit ist noch lange nicht gesagt, dass es eine Arbeit wie jede andere ist“, stellt Diplom Soziologin Beate Leopold (Berlin), die sich wissenschaftlich seit mehr als 20 Jahren mit Prostitution auseinandersetzt, fest.

Zur Konferenz der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen trafen sich mehr als 70 Frauen aus ganz Westfalen vom 17. bis 18. April 2008 in Soest, Sie näherten sich dem Thema Prostitution biblisch, soziologisch und diakonisch an und gelangten miteinander zu einer theologischen Positionierung. „Längst sind wir uns einig: Mission ja, diakonische Hilfen für Prostituierte: Ja! Lassen sie uns an uns arbeiten, damit Prostituierte einen selbstverständlichen Platz in der Frauenhilfe, in der Gemeinde und in der Gesellschaft erhalten“, appellierte Angelika Weigt-Blätgen, leitende Pfarrerin des Landesverbandes. Dr. Beate Blatz, Geschäftsführerin der Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD), Hannover, stellte zunächst heraus, wie Prostitution im Ersten Testament thematisiert wird:
„In der Bibel wird Prostitution nicht verurteilt, sondern als Teil der israelitischen Lebenswirklichkeit beschrieben.“ Die biblischen Texte seien einerseits bestimmten Prostituierten gegenüber ablehnend, beschrieben andererseits Prostituierte als Akteurinnen, die ihre Rechte einklagten. Beate Blatz wies besonders auf zwei Prostituierte hin, die in der Aufzählung des Stammbaums Jesu auftauchen: Tamar und Rahab.

Die 90jährige Geschichte und aktuelle Arbeit mit Prostituierten der Dortmunder Mitternachtsmission verdeutlichte die Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission, Jutta Geißler-Hehlke.
„Erweisen sie den sich freiwillig prostituierenden Frauen Achtung und Respekt, bestärken und bestätigen sie sie in ihren Rechten!
Dafür brauchen sie Prostitution nicht gut zu finden!“, appellierte sie. „Prostitution macht Körper und Seele kaputt. Den Körper und die Seele kaputt machen jedoch auch andere Arbeitsfelder, andere Erwerbstätigkeiten … Prostituierte jedoch werden diskriminiert, ausgegrenzt und verachtet. Legale Arbeitsbedingungen und menschenwürdige Arbeitsplätze tragen dazu bei, Prostitution zu entkriminalisieren und den Ausstieg aus der Prostitution zu erleichtern!“ betonte Jutta Geißler-Hehlke.

Einen soziologischen Vortrag hielt Beate Leopold zu „Arbeitsplatz Prostitution in Deutschland“. Zahllose, meist verächtlich gemeinte Begriffe kennt die deutsche Sprache für Frauen, die in der Prostitution arbeiten: Hure, Nutte, Bordsteinschwalbe…
Zwischen 200.000 und 400.000 Frauen gehen in Deutschland der Prostitution nach, mehr als die Hälfte - ca. 60% - von ihnen stammen aus dem Ausland, viele arbeiten ohne legalen Aufenthalt und ohne Arbeitserlaubnis in Deutschland. Prostituierte seien keine homogene Gruppe, unterschiedlich im Alter, Qualifikation, Motivation und Lebenssituation, stellte die Berlinerin fest.

Bundesweit gäbe es keine repräsentative Studie - dafür aber viele Meinungen und Bilder. 250.000 bis 1.000.000 Männer nehmen täglich die sexuellen Dienstleistungen von Prostituierten in Anspruch.
In fast jedem Ort gibt es Bordelle, Sexclubs und einen Straßenstrich und in den Tageszeitungen füllen viele Sex-Angebote die Spalten der Kleinanzeigen. Prostitution ist eine gesellschaftliche Realität; das Prostitutionsgesetz von 2003 hat die rechtliche Situation von Prostituierten gestärkt und trotzdem erleben Frauen, die in der Prostitution arbeiten (und nicht ihre Kunden), gesellschaftliche Ausgrenzung, Verachtung und Herabwürdigung.

Beate Leopold forderte daher auf, die Diskussion über Prostitution zuzuspitzen auf zwei Hauptforderungen: „Prostituierte sind zum einen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen und zum anderen nicht auf einen Opferstatus zu reduzieren.“

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