Aufruf zu friedlichen Aktionen gegen Atomenergie und Atommülltransporte (Februar 2010)

Der Vorstand der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. hat in seiner Sitzung am 12. Februar 2010 einstimmig eine Stellungnahme zu Atommülltransporten und zur Atomenergienutzung beschlossen.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. ist über die Renaissance der Atomenergie, die die jetzige Bundesregierung fördert, empört und ruft ihre Mitglieder auf, sich an friedlichen Aktionen gegen Atomenergie und Atommülltransporte zu beteiligen. Darüber hinaus bittet sie ihre Mitglieder, die an Aktionen beteiligten Frauen mit Fürbitten zu begleiten und über mögliche Formen der Unterstützung zu beraten.

In den aktuellen Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) ist zu lesen:
Ziel der Bundesregierung ist es, die Energiewende vom fossil-nuklearen zum solar-effizienten Zeitalter einzuleiten. Neben einer effizienten Nutzung von Energie und dem Ausbau der erneuerbaren Energiequellen ist der Ausstieg aus der kommerziellen Atomenergienutzung eine zentrale Säule dieses Projektes. Die Gründe für den Atomausstieg sind die nicht verantwortbaren Risiken eines schweren Unfalls und die nach wie vor ungelösten Fragen der Entsorgung. Die Atomenergienutzung ist deswegen auch als nicht nachhaltig anzusehen, zumal es ressourcenschonende und umweltverträgliche Energiealternativen gibt.
http://www.bmu.de/atomenergie_sicherheit/dossiers/doc/2708.php , 06.01.2010

Bis vor einigen Monaten schien es noch, als sei der Atomausstieg beschlossene Sache. Doch im Koalitionsvertrag von CDU, FDP und CSU wurde 2009 vereinbart, dies zu ändern und die gesetzlich festgelegten Laufzeiten für Atomkraftwerke zu verlängern. Und das, obwohl die Entsorgungsfrage weiter ungeklärt ist.

Die Bundesregierung setzt zwar auf Atomenergie als so genannte Brückentechnologie, doch die Mehrheit der Bevölkerung will am vereinbarten Atomausstieg festhalten und lehnt Laufzeitverlängerungen ab. Umfragen zeigen, dass Frauen dabei deutlich in der Mehrheit sind.

Am 9. Mai 2010 findet in Nordrhein-Westfalen die erste Landtagswahl nach der Bundestagswahl statt. Offenbar fürchtet die Regierungskoalition, dass ihre Atompolitik sich negativ bei den Wählerinnen und Wählern auswirken könnte, und hat die Entscheidung über die konkreten Laufzeitzeitverlängerungen auf die Zeit danach verschoben.

Für das Brennelemente-Zwischenlager Ahaus (BZA) haben sich die Pläne der Atomindustrie bereits konkretisiert :
Ab Anfang 2010 soll schwach- und mittelradioaktiver Atommüll nach Ahaus transportiert werden. Die Bundesregierung teilte dazu auf Anfrage der Bündnis 90/ Die Grünen mit, dass "1800 Gebinde für einen Zeitraum von zehn Jahren ... im Mittel zweimal pro Woche" nach Ahaus gelangen sollen. Des Weiteren sei beabsichtigt, ab 2011 bis 2013 weitere 152 Castor-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll aus dem Forschungszentrum Jülich im BZA einzulagern. Ab 2015 sollen aus der Wiederaufarbeitung in La Hague (Frankreich) 150 Behälter mit Brennelement-Strukturteilen und 20 Behälter mit Flüssigabfällen nach Ahaus gebracht werden. Kosten und Unfallrisiken potenzieren sich durch die mehrfachen Hin- und Rückbeförderungen während dieser durch mehrere Bundesländer führenden Transporte.
Quelle: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/003/1700358.pdf, 25.02.2010)

Bereits im Jahr 2004 hatte die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. eine Stellungnahme zu den geplanten Atommülltransporten in das BZA verabschiedet und darin eindeutig formuliert: Angesichts der geplanten Castor-Transporte, der nahezu täglich auf unseren Straßen stattfindenden Transporte atomaren Materials sowie des Verkaufs von deutschen Atomanlagen z.B. nach Osteuropa und China erinnert die Herbstkonferenz der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. im Jahr 2004 an die Stellungnahme der Landessynode 1986 und macht sie sich in ihrem ganzen Umfang zu Eigen. Energiegewinnung durch Kernspaltung ist mit christlicher Verantwortung für die Schöpfung nicht zu vereinbaren, weil weder Menschen noch Technik von Fehlern und Mängeln frei sind und die Risiken unabsehbar und letztlich unbeherrschbar bleiben. Gottebenbildlichkeit und der Herrschaftsauftrag im ersten Schöpfungsbericht („... macht euch die Erde untertan ...“) legitimieren keine Ausbeutung und Zerstörung der Schöpfung durch den Menschen. (…) Die Teilnehmerinnen der Herbstkonferenz bitten die Mitglieder des Verbandes, sich gegen die weitere Erzeugung und Nutzung von Kernenergie auszusprechen und sich für die Weiterentwicklung und Nutzung erneuerbarer Energien einzusetzen.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. stellt fest, dass die Nutzung der Kernenergie bislang nur die Gefährdung der Schöpfung mit sich gebracht hat und daher nicht in Betracht für einen Energiemix gezogen werden darf. Ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll ist weltweit nicht in Sicht. Eine verantwortungsvolle - d.h. schöpfungsfreundliche und von Folgeschäden freie - Nutzung von Kernenergie ist aus diesen Gründen unmöglich.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. bekräftigt die Aussagen der Stellungnahme der Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen auch fast fünfundzwanzig Jahre nach Beschluss, in der es heißt: Wegen der großen, vielfältigen und nicht mit Sicherheit beherrschbaren Gefahren der Kernenergie, wie sie durch den Reaktorunfall in Tschernobyl einer breiten Öffentlichkeit bewusst geworden sind, ist die weitere Nutzung der Kernenergie zu unserer Energieversorgung mit dem uns gegebenen Auftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren, nicht zu vereinbaren. Deshalb empfiehlt die Landessynode den Verzicht auf Kernenergienutzung sobald wie möglich und die unverzügliche Einleitung der dafür notwendigen Schritte.“ Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen zum damaligen Schwerpunktthema „Verantwortung für Gottes Schöpfung angesichts von Umweltzerstörung, Arbeitslosigkeit, Hunger in der 3. Welt, Rüstungseskalation“, 14.11.1986

Hintergrundinformationen
Im Koalitionsvertrag von CDU, FDP und CSU ist festgehalten:
Die Kernenergie ist eine Brückentechnologie, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann. Andernfalls werden wir unsere Klimaziele erträgliche Energiepreise und weniger Abhängigkeit vom Ausland, nicht erreichen. Dazu sind wir bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards zu verlängern. Das Neubauverbot im Atomgesetz bleibt bestehen. In einer möglichst schnell zu erzielenden Vereinbarung mit den Betreibern werden zu den Voraussetzungen einer Laufzeitverlängerung nähere Regelungen getroffen (u. a. Betriebszeiten der Kraftwerke, Sicherheitsniveau, Höhe und Zeitpunkt eines Vorteilsausgleichs, Mittelverwendung zur Erforschung vor allem von erneuerbaren Energien, insb. von Speichertechnologien). Die Vereinbarung muss für alle Beteiligte Planungssicherheit gewährleisten.

Eine verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie bedingt auch die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle. Wir werden deshalb das Moratorium zur Erkundung des Salzstockes Gorleben unverzüglich aufheben, um ergebnisoffen die Erkundungsarbeiten fortzusetzen. Wir wollen, dass eine International Peer Review Group begleitend prüft, ob Gorleben den neuesten internationalen Standards genügt. Der gesamte Prozess wird öffentlich und transparent gestaltet. Die Endlager Asse II und Morsleben sind in einem zügigen und transparenten Verfahren zu schließen. Dabei hat die Sicherheit von Mensch und Umwelt höchste Priorität. Die Energieversorger sind an den Kosten der Schließung der Asse II zu beteiligen.

Mit Blick auf Endlagerstandorte setzen wir uns für einen gerechten Ausgleich für die betroffenen Regionen ein, die eine im nationalen Interesse bedeutsame Entsorgungseinrichtung übernehmen
.http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf, S. 29, 06.01.2010

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