Stellungnahme zur energiepolitischen Entwicklung in Deutschland (Oktober 2010)

Die 60 Teilnehmerinnen der Herbstkonferenz 2010 der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. (EFHiW) sind enttäuscht und entrüstet über das energiepolitische Konzept, das die Bundesregierung unter dem Druck der in Deutschland tätigen Energiekonzerne und führender Wirtschaftsunternehmen Ende September 2010 ausgehandelt hat.

Die EFHiW versteht diesen sogenannten Atomvertrag als Missachtung aller Ängste und Sorgen vieler Menschen in Deutschland in Bezug auf Kernkrafterzeugung und -nutzung sowie als Nichtbeachtung der bisherigen Stellungnahmen der EFHiW vom Oktober 2004 und vom Februar 2010.
In diesen Stellungnahmen spricht sich die EFHiW gegen die Nutzung von Atomkraft und gegen Atommülltransporte sowie für den sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie aus.

Mit dem derzeitigen Energiekonzept der Bundesregierung ist genau das Gegenteil beabsichtigt:
1. Der im Jahr 2000 im Atomkonsens vereinbarte Ausstieg aus der Kernenergie wird nicht vollzogen.
2. Durch Laufzeitverlängerungen der bestehenden Atomkraftwerke (AKW) werden Nutzung und weiterer Ausbau regenerativer Energieformen gebremst bzw. verhindert.
3. Das Risiko schwerer Unfälle mit nicht vorhersehbaren Folgen erhöht sich gerade bei AKW, die möglicherweise Laufzeiten bis über 50 Jahre erreichen könnten; es steigert sich noch, da die dann ältesten AKW der Welt laut Vertrag vom 28.9.2010 nicht mehr auf den neuesten Stand der Sicherheitstechnik gebracht werden müssen.

Dieser von der Bundesregierung ausgehandelte Vertrag veranlasst die Herbstkonferenz, die Mitglieder der EFHiW aufzurufen, ihren Protest gegen die Inhalte und die Art des Zustandekommens des sog. Atomvertrags nicht nur durch Teilnahme an friedlichen Demonstrationen und durch Stellungnahmen zu äußern.
Sie ruft dazu auf, dass die Mitglieder der EFHiW auf Grundlage der Unterzeichnenden des „Energiepolitischen Appells“ vom August 2010  ihr Verhalten als Konsumentinnen dahingehend überprüfen und verändern, dass sie bewusst entscheiden, welche Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs sie (weiterhin) kaufen und nutzen wollen.

Die Herbstkonferenz bittet darüber hinaus die Synode der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) um Beratung und Entscheidung über den Verzicht auf Spenden und Sponsoringmittel von Energiekonzernen und ihren Tochtergesellschaften an die EKvW und ihre Ämter, Einrichtungen und Werke und um Empfehlung entsprechender Beratungen in den Kreissynoden und Presbyterien.
Die Herbstkonferenz bekräftigt die Forderung der EFHiW nach dem sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie und äußert ihre Enttäuschung und Entrüstung angesichts der derzeitigen energiepolitischen Entwicklung in Deutschland. Sie drückt zugleich ihre ernste Sorge darüber aus, dass es in Deutschland zu einem ähnlich furchtbaren Atomunfall kommen kann, wie er im April 1986 in Tschernobyl geschah.

Der Opfer dieser Katastrophe, die sich 2011 zum fünfundzwanzigsten Mal jährt, gedenken wir mit Anteilnahme. Wir erinnern nachdrücklich daran, welche Verantwortung wir als Christinnen und Christen für die Schöpfung und gegenüber nachfolgenden Generationen haben.

Verabschiedet von den Teilnehmerinnen der Herbstkonferenz der EFHiW am 27. Oktober 2010 in Soest

Zum Hintergrund

Der Energiepolitische Appell wurde im August 2010 vom Verein Energiezukunft für Deutschland e. V. i.G. veröffentlicht. Dieser wurde im August 2010 auf Initiative der Energieversorgungsunternehmen E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall Europe gegründet. Die Gründungsmitglieder sind Mitarbeiter dieser Unternehmen.

Anlass des Appells waren die Diskussionen zur Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke.
Der Appell wurde zunächst in Form einer bundesweiten Anzeigenkampagne mit 40 prominenten Unterzeichnern, vornehmlich Topmanagern, veröffentlicht im Vorfeld der Entscheidung der Bundesregierung.

Unter der Überschrift „Mut und Realismus für Deutschlands Energiezukunft“ stellt der Appell fünf Thesen auf.
Die letzte lautet: „Realistisch bleiben: Deutschland braucht weiter Kernenergie und Kohle“. In der Anzeige waren die Manager von Unternehmen (Bahlsen, BASF, Bauwens, Bayer, Bertelsmann, Bilfinger-Berger, Deutsche Bahn, Deutsche Bank, E.ON, EnBW, Friedhelm Loh Group, Gerry Weber, Grillo-Werke, HeidelbergCement, Henkel, Kirchhoff, MaschmeyerRürup, Metro, Papierfabrik Gebr. Grünewald, RWE, Salzgitter, ThyssenKrupp, Vattenfall) sowie verschiedene Persönlichkeiten aus der Politik, dem Fußball, der Ruhr-Universität Bochum, der TU München, dem Karlsruher Institut für Technologie und dem BDI-Vorstand namentlich angegeben.

Die vollständige Liste der Unterzeichnenden erhalten Sie auf Nachfrage über die Öffentlichkeitsreferentin der EFHiW (schunk@frauenhilfe-westfalen.de).

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