„Lasst uns die Zeit, die wir brauchen.“
Ägypterin Hoda Salah bei der Frauenhilfe

(Februar 2014)

 

„Lasst uns die Zeit, die wir brauchen. Wie lange haben die Veränderungsprozesse denn bei euch gedauert?“ Die Tahrir-Demonstrantin Hoda Salah zeichnete ein Bild der Revolution in Ägypten. Aus ihrer Sicht vorwiegend ein Kampf um Aufrichtigkeit und gegen Ausbeutung und Armut.

„Dinge verändern sich im Minutentakt. Das Dramatische ist, dass sich in den Veränderungen Radikalisierungsbewegungen bilden. Aber: Irgendwann werden Frauen und Männer, Bürgerrechtsgruppen, Christen und Muslime, Alte und Junge gemeinsam in ihrem Einsatz für Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde in Ägypten zusammenstehen“, so Hoda Salah, „und dann werden sie ihr Ziel erreichen.“

Wie leben ägyptische Frauen heute ihre Hoffnung? Welche Widerstände erfahren sie dabei?
Am 22. Februar fand ein Studientag mit der Politikwissenschaftlerin Hoda Salah auf Einladung der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. in Soest statt. Zwei Wochen vor dem Weltgebetstag aus Ägypten hatten die Teilnehmenden damit die Möglichkeit, Näheres zur jetzigen Situation in Ägypten, zu Hoffnungen und Netzwerken dort zu erfahren. Verbindungslinien innerhalb des islamisch-christlichen Dialogs von Frauen wurden am Nachmittag skizziert und diskutiert.

„Frauen sind die Trägerinnen des Wandels“, so Hoda Salah. Sie seien sehr sichtbar, organisierten sich, demonstrierten für den demokratischen Umbau und setzten deutliche Zeichen des Aufbruchs. „Ohne sie – und die Arbeiter und die Jugend – wäre die Revolution nicht in Gang gekommen“, unterstrich die Referentin beim Studientag in Soest. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit verbinde Frauen auf der ganzen Welt und sicher auch der Gedanke, dass Solidarität vor den Grenzen nicht haltmache.

„Auch nach der Verabschiedung der neuen Verfassung ist die Spaltung der Gesellschaft nicht überwunden“, schätzte Hoda Salah die heutige Situation in Ägypten ein. Die Gesellschaft sei gespalten, nicht nur in Islamisten auf der einen und der Armee auf der anderen Seite. Außerdem seien Vertreter des alten Systems, Geschäftsleute und Einflüsse ausländischer Kräfte Akteure in Ägypten. Die Politikwissenschaftlerin, die in Berlin und Kairo lebt, glaubt nicht, dass sich in Ägypten die Anhänger der verschiedenen Lager die Hände reichen werden. „In Ägypten herrschen Angst, Unsicherheit und Hass. Bereitschaft zum Dialog ist nur bei einer Minderheit vorhanden“, stellte sie fest. Sie schätze die Lage eher so ein, dass Ägypten auf dem Weg zu einer autoritären Herrschaft sein: es gäbe politische Kontrolle bei gleichzeitiger individueller Freiheit, solange diese die Machthaber nicht attackiere.

Von Christenverfolgung in Ägypten mag Hoda Salah nicht sprechen: „Die Mehrheit der Ägypter definiert sich nicht als Muslime oder Christen, sondern versteht sich als Bürger.“ Zur Zeit gäbe es aber Gruppen, die Konflikte schüren wollten - nicht nur mit Christen, auch mit Menschen, die sich für einen demokratischen Aufbruch eingesetzt haben. Die Mehrheit der Menschen im Land ziehen ihre Identität in erster Linie aus der Jahrtausende alten Geschichte und aus verschiedenen Religionen. Das würde auch die neue Verfassung widerspiegeln.
Zur Frage der Situation von Frauen in Ägypten machte Hoda Salah deutlich, dass sie es grundsätzlich problematisch fände, von „den Frauen“ zu sprechen: „Frauen sind doch in ihren politischen Ansichten, in ihren Zielen, in ihrer praktischen Lebensweise ganz unterschiedlich. Sogar unter Islamisten finden sich Frauen, die Gleichberechtigung ganz anders verstehen als zum Beispiel säkulare ägyptische Frauen.“

 

Zum Hintergrund:

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. hat seit Jahrzehnten inhaltliche Schwerpunkte in der Ökumene und im Weltgebetstag und sieht dies als Beitrag zur Weltverantwortung an.  
Näheres dazu finden Sie unter:

 

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