Gedenkfeier zu 80 Jahre Soester Erklärung der Frauenhilfe

(Oktober 2014)

2014 ist ein Jahr, in dem zahlreiche Jahrestage, Jubiläen und erschütternde Ereignisse bedacht und begangen werden. 1934 ist in der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. eines dieser besonderen Jahre: Der Engere Vorstand des Provinzialverbandes verabschiedete die "Soester Erklärung" - ein Dokument, das die Barmer Theologische Erklärung aufnahm. Die Barmer Theologische Erklärung der Deutschen Evangelischen Kirche vom Mai 1934 markiert die Geburtsstunde der Bekennenden Kirche in Deutschland. Sie ist eine klare Absage an die falsche Lehre der Deutschen Christen und ein Dokument des Kirchenkampfes im nationalsozialistischen Deutschland.

Die Soester Erklärung der Frauenhilfe beendete den Neutralitätskurs des Verbandes in der nationalsozialistischen Anfangszeit und fand nach mehreren, äußerst kontroversen Diskussionsetappen im Laufe des Jahres 1934 zu einer Positionierung in den kirchenpolitischen Richtungskämpfen. Die Soester Erklärung wurde am 26. Oktober 1934 mit überwältigender Mehrheit vom Vorstand verabschiedet. Bis heute wirkt die Soester Erklärung der Frauenhilfe in die Arbeit des Verbandes hinein.

Dr. Beate von Miquel (Bochum) führte in einem Gedenkvortrag Ende Oktober in Soest Entstehung und Wirkung der Soester Erklärung aus. „Die Mitglieder der Frauenhilfe agierten sehr politisch“, führte die promovierte evangelische Theologin und Historikerin aus. Nach der Verabschiedung der Soester Erklärung mussten die einzelnen Frauenhilfen darüber abstimmen, ob sie die Erklärung akzeptierten. Die Abstimmung verlief äußerst zäh und schließlich, nach Ablauf eines Ultimatums, wurden Gruppen aus dem Verband ausgeschlossen. Dies betraf im März 1935 etwa 10 - 15 Prozent der Gruppen, andere wanderten in neue deutsch-christlich Gruppen aus, wiederum andere Gruppen spalteten sich.

Die Handlungen des Verbandes bis 1945 seien jedoch widersprüchlich - so die Bochumerin: Kooperationen mit nationalsozialistischen Organisationen wurden befürwortet und Doppelmitgliedschaften in Frauenhilfen und NS-Organisationen toleriert. „Die Frauenhilfe befand sich inmitten der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen während der NS-Zeit - keineswegs am Rande“, fasste Dr. Beate von Miquel die Ereignisse zusammen. „Es lässt sich am Beispiel der Frauenhilfe exemplarisch erfahren, welche Auswirkungen das kirchenpolitische Geschehen in der NS-Zeit auf den normalen kirchengemeindlichen Alltag hatte.“

Die Evangelische Frauenhilfe hat in der Tradition der Soester Erklärung verschiedene politische Aktionen, Kampagnen und Stellungahmen angestoßen und durchgeführt. Die einzelnen Etappen und Stationen verdeutlichten sich die 70 Teilnehmerinnen der Konferenz der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen am 27. Oktober 2014 mithilfe von Verbandspfarrerin Katja Jochum und der leitenden Pfarrerin Angelika Weigt-Blätgen in Soest.

Seit 1949 sind beispielsweise Frauen der Frauenhilfe beim Weltgebetstag engagierte Mitstreiterinnen und wagten immer mehr, brisante Themen zur Sprache zu bringen: Prostitutionstourismus mahnten sie z.B. 1980 an, als die thailändischen Frauen dieses in ihrem Land thematisierten;1981 als sie die Stimmen der Indianerinnen Nordamerikas verstärkten und den Umgang mit der Schöpfung problematisierten; die Rechte der indianischen Urbevölkerung wurden 1993 beim Weltgebetstag der Frauen aus Guatemala zum Thema. Die Evangelischen Frauen der Frauenhilfe haben sich auch intensiv und kreativ ab 1978 an der Kampagne „Kauft keine Früchte aus Südafrika! Jeder Kauf eines Produkts aus Südafrika unterstützt die Rassentrennung“, kurz: Früchteboykott genannt, beteiligt.

Weitere Stationen im politischen Handeln der Frauenhilfe sind die Kampagnenmitgliedschaften, Unterschriftenaktionen und Trägerschaften von Beratungsstellen und Einrichtungen zum Themenspektrum Gewalt an Frauen und Menschenhandel, zu fairen Produkten wie in der Blumenkampagne und Teppichkampagne, Resolutionen und Stellungnahmen zur Energiegewinnung, zur Friedenspolitik und zu Wahlverhalten. Die Gottesdienste, die jedes Jahr zum Thema „Schaffe mir Recht“ am Judika-Sonntag ausgearbeitet werden, wurden von den Teilnehmerinnen ebenso in dieser Tradition gewürdigt wie die Gottesdienste 1992, in Solidarität mit Frauen, die in bosnischen Lagern vergewaltigt wurden.

„Wir haben uns immer zu politischen, kirchen- und diakoniepolitischen Fragen der Zeit verhalten, haben Stellung bezogen, Kampagnen angestoßen, Solidarität bewiesen", stellte Pfarrerin Angelika Weigt-Blätgen abschließend fest. „Unser politisches Handeln in der Frauenhilfe ist reformatorische Tradition und zugleich Perspektive."
Dr. Beate von Miquel hatte bereits vor sieben Jahren  Dokumente der Evangelischen Frauenhilfe im Dritten Reich gesichtet, ausgewertet und in einem Buch veröffentlicht.

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Zum Hintergrund:

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. setzt sich seit Jahrzehnten für Geschlechtergerechtigkeit ein und unterstützt die Übernahme von Verantwortung.
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