(Mai 2019)
„Wahlen allein machen keine Demokratie“ – das wissen Frauen seit über einhundert Jahren. Wenige Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament trafen sich 35 Frauen des Frauenverbandes ‚Evangelische Frauenhilfe in Westfalen‘. Um die Gesellschaft, den Staat und Europa mitzugestalten, bedarf es das Engagement und die Einmischung vieler Menschen an vielen Orten. Wie es für Christinnen und Christen, für Frauenhilfefrauen möglich ist, war Thema einer 24-Stunden-Konferenz Anfang Mai in Soest.
Welche demokratiegefährdenden Tendenzen gibt es in Deutschland und Europa, die frauenspezifische Aspekte und Themen haben? Brigitte Triems, Vorsitzende des Demokratischen Frauenbundes (dfb e.V.), zeigte auf, dass es davon zahlreiche gibt. Die ehemalige Präsidentin der Europäischen Frauenlobby (EWL) in Brüssel, der größten europäischen Dachorganisation von Frauenverbänden, verdeutlichte: „In den letzten Jahren wird immer deutlicher, dass rechtspopulistisches Denken kein Randproblem ist. Neben antisemitischen, islam- und ausländerfeindlichen Haltungen sind auch antifeministische Einstellungen auf dem Vormarsch. Verbreitete Ressentiments gegenüber Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung werden gezielt aufgegriffen und kommuniziert.“
Beispiele von Positionen rechtspopulistischer Parteien in Ungarn, Frankreich, Österreich, Schweden und in Deutschland – die Triems vorbrachte - zeigten, wie diese Parteien rückwärtsgewandte Frauen- und Familienbilder propagieren. Dokumente und Reden von Vertreter*innen populistischer Parteien auf europäischer Ebene und in EU-Mitgliedsstaaten zeichnen gemeinsame Positionen und Ansichten gerade auf diesem Gebiet. Diese stellen – so wies die 79jährige eindrücklich nach - eine Bedrohung von Frauenrechten dar und sind ein Rückschritt auf dem Wege zu wirklicher Gleichstellung. Sie rief die Anwesenden daher zu: „Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament liegt es an den Wähler*innen zu verhindern, dass rechtspopulistische Parteien noch größeren Einfluss erlangen und Frauenrechte derart weiter mit Füßen treten können.“
Mit ihrer Basisnähe, ihrer Nähe zu Menschen, gelinge es Frauenverbänden immer wieder, den Bezug zur Realität zu wahren. „Wie oft wurde bereits von Frauenverbänden bewiesen, welche Stärke sie haben, um Demokratie zu fördern und Gesellschaft mitzugestalten!“, betonte Kirchenrätin i.R. Susanne Kahl-Passoth. Die Vorsitzende des bundesweiten Dachverbandes der Evangelischen Frauen, EFiD, stellte fest: „Ein Blick in die Geschichte der Frauenverbände macht Mut, sich weiter zu engagieren.“
Im Anschluss daran erprobten die Teilnehmerinnen an den aktuellen Kampagnen für Gerechtigkeit und Frieden, Respekt und Toleranz sowie für Menschenrechte und Demokratie, diese Haltungen in ihren gesellschaftlichen Alltag und in ihr Umfeld zu transportieren.
„Können wir mit der Bergpredigt Politik machen?“ fragte Pfarrerin Angelika Weigt-Blätgen in ihrer Bibelarbeit. „Wir können keine Parteipolitik und keine Alltagspolitik betreiben, in der wir auf alles im politischen Gemeinwesen theologische Antworten geben wollen“, fasste die leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen zusammen:Es sei vor allem theologisch zu begründen, warum Christinnen und Christen sich in bestimmten Themenfeldern zu Wort melden. Sie plädierte dafür, dass theologische Antworten in der heutigen Zeit zu verschiedenen Themen gefordert seien. „Wir können öffentlich kontextuelle Theologie betreiben und so die Perspektive des Reich Gottes in die Welt hineintragen.“
Unterschiedliche Definitionen von Demokratie sowie kreative Annäherungen, wie Demokratie Alltag bewegt und Alltag Demokratie bewegt, und ein stärkender liturgischer Abschluss rundeten die Veranstaltung ab.