Nach 2 Jahren Prostituiertenschutzgesetz Richtungswechsel gefordert

(Juni 2019)

Nach 2 Jahren Prostituiertenschutzgesetz Richtungswechsel gefordert (Juni 2019)

„Es ist längst schon absehbar, dass das Prostituiertenschutzgesetz die Unterstützung von Sexarbeiter*innen erschwert“, macht Pfarrerin Birgit Reiche deutlich. Anlässlich des Internationalen Hurentags am 2. Juni kritisiert die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen zusammen mit der Aidshilfe NRW erneut das 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG). „Das Gesetz verschärft die Diskriminierung und Stigmatisierung von Prostituierten“, ist die Leiterin der drei Prostituierten- und Ausstiegsberatungsstellen des Frauenverbandes überzeugt. Erfahrungen in Ostwestfalen-Lippe durch THEODORA, im Münsterland und in Südwestfalen durch TAMAR würden zeigen: „Bislang erfolgreiche Projekte der aufsuchenden Arbeit sind gefährdet und der Zugang zu anonymen Beratungs-, Präventions- und Unterstützungsangeboten werden erschwert.“

Die Erfahrungen der Beraterinnen zeigen die Notwendigkeit anonymer Beratungsstrukturen, deren Zugang das ProstSchG mit der verbindlichen amtlichen Registrierung erschwert. „Viele Sexarbeitende haben Angst erpressbar zu werden und in Abhängigkeitsverhältnisse zu geraten“, erläutert Sabine Reeh von TAMAR. „Sie beginnen die Öffentlichkeit zu meiden und Gesundheitsangebote nicht mehr zu nutzen“, fügt ihre Kollegin, Tanja Mesic, hinzu. Für 2025 ist zwar eine Gesetzesnovelle aufgrund der Evaluation geplant, die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen ist sich jedoch mit der Aidshilfe NRW einig: „Jetzt besteht schon akuter Handlungsbedarf, die Folgen des Gesetzes abzumildern. Damit bis 2025 zu warten, ist fahrlässig“, so Reiche. Daher sind kurzfristige Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen des Gesetzes zu ergreifen. Das Forderungspapier der Aidshilfe NRW mit ausführlichen Erläuterungen ist unter www.ahnrw.de zu finden.

Aus Anlass des Internationalen Hurentages verteilen die Beraterinnen der drei Beratungsstellen von Mitte Mai bis Mitte Juni bei der aufsuchenden Arbeit in Ostwestfalen-Lippe, Südwestfalen und im Münsterland Blumengrüße an die Prostituierten.
Weitere Informationen zu der Arbeit der Beratungsstellen sind zu finden unter www.theodora-owl.de und www.tamar-hilfe.de.

Hintergrund zum Internationalen Hurentag:

Der Welthurentag ist ein inoffizieller Gedenktag, der von den Sexworkern und deren Organisationen begründet und ausgerufen wurde. Er erinnert an die Diskriminierung von Prostituierten und deren oftmals ausbeuterische Lebens- und Arbeitsbedingungen.
Anfang der 1970er setzten französische Strafverfolgungsbehörden Prostituierte in Frankreich zunehmend unter Druck. Die polizeilichen Repressalien zwangen die Frauen, zunehmend im Verborgenen zu arbeiten. Dadurch entfiel deren Schutz durch die Öffentlichkeit und dies führte zu vermehrten Gewalttaten gegen sie. Nach zwei Morden und der fehlenden Bereitschaft der Regierung, die Situation der Prostituierten zu verbessern, besetzten am 02. Juni 1975 etwa 100 Frauen die Kirche Saint-Nizier in Lyon. Sie waren dorthin vor der Polizei geflüchtet. 8 Tage später räumte eine Hundertschaft der Polizei die Kirche auf brutalste Art und Weise. Politische Verantwortliche waren zu keinerlei Gesprächen bereit.

Das Ereignis wird als Ausgangspunkt der Hurenbewegung angesehen. Der Gedenktag wird seit 1976 international jährlich am 2. Juni begangen. In Deutschland wurde erstmals am 2. Juni 1989 zum Internationalen Hurentag von der Kommunikationswissenschaftlerin Laura Méritt aufgerufen.

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