Politische Forderungen für den Bereich Prostitution zur Kommunalwahl 2020 von der Beratungsstelle Tamar

(August 2020)

Politische Forderungen für den Bereich Prostitution zur Kommunalwahl 2020 von der Beratungsstelle Tamar (August 2020)

Prostitution ist gesellschaftlich und moralisch immer noch ein Tabu. Ein generelles Verbot von Prostitution und „Sexkauf“ halten viele für die Lösung der Probleme von Ausbeutung, Menschenhandel und sexueller Gewalt. Ein Verbot verhindert aus unserer fachlichen Sicht jedoch weder Prostitution noch Menschenhandel, sondern führt zu einer Verschiebung in die Illegalität. Die betroffenen Frauen sind Gewalt und Ausbeutung schutzlos ausgeliefert und verlieren die Möglichkeit, sozial- und krankenversichert zu sein.

Prostituierte und Opfer von Menschenhandel sollten mit ihren eigenen Problemen, Sorgen, Wünschen und Träumen wahrgenommen werden und nicht zur Projektionsfläche unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen werden.
Seit dem 16. März ist Prostitution aufgrund der Corona-Pandemie in NRW untersagt. Prostituierte haben seitdem keinerlei Einnahmen und - wenn sie in Deutschland nicht angemeldet sind - keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Viele sind nicht krankenversichert, ohne festen Wohnsitz und ohne staatliche Hilfe von existenzieller Armut betroffen. Viele Prostituierte sehen für sich keine andere Möglichkeit, als verbotswidrig illegal zu arbeiten.
Prostitution ist nicht nur ein Phänomen der Großstädte, sondern auch im ländlichen Bereich und kleineren Städten vorhanden. Auch hier besteht das Recht auf den Zugang zu vorurteilsfreier, parteilicher und anonymer Beratung.

Politikerinnen und Politiker in Städten und kommunalen Kreisen sind gefordert, sich für eine verbindliche Absicherung und Weiterentwicklung der kommunalen und behördenunabhängigen Beratungsangebote für Prostituierte einzusetzen. Dabei sind bei der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) der Schutzgedanke für Prostituierte zu stärken und die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben in Hinblick auf größere Prostitutionsbetriebe regelmäßig zu überprüfen.

Unsere Forderungen an die Parteien im Einzelnen

 

Zum Hintergrund:

Im Jahr 2014 wurde die Beratungsstelle TAMAR Südwestfalen gegründet, im Jahr 2018 TAMAR Münsterland. Beide Angebote verdanken sich einer Projektförderung von Aktion Mensch.
Die Arbeit von TAMAR SÜDWESTFALEN musste in weiten Teilen im April 2020 eingestellt werden, da die kommunalen Kreise und die Stadt Hamm eine kommunale Förderung abgelehnt haben.

Zum Einzugsbereich der Beratungsstelle TAMAR gehören im MÜNSTERLAND die Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt, Warendorf und die Stadt Münster, sowie in SÜDWESTFALEN aktuell nur der Kreis Siegen-Wittgenstein.
Erneut wurden Förderanträge auch in den Kreisen HSK, MK, Olpe, Soest und der Stadt Hamm gestellt.
Die Beratungsstelle TAMAR setzt sich ein für das Recht der Prostituierten auf ein selbstbestimmtes, vorurteilsfreies Leben und Arbeiten in der Prostitution. Die in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. tätige Beratungsstelle unterstützt außerdem Frauen bei der Entwicklung einer neuen Lebensperspektive außerhalb der Prostitution. Die individuellen Bedarfe der Klientinnen stehen im Mittelpunkt der Beratung und bilden die Grundlage für das gemeinsame Vorgehen.

Mobile, aufsuchende Arbeit ist ein wesentlicher Tätigkeitsschwerpunkt der Beratungsstelle. Die Mitarbeiterinnen von TAMAR treffen die Prostituierten vor Ort an ihren Arbeitsplätzen in den unterschiedlichen Prostitutionsbetrieben (Wohnungen, Clubs, Bordellen, Bars, Kneipen und Wohnwagen) und informieren sie über das Beratungsangebot. Somit finden die ersten Kontaktaufnahmen häufig direkt in der Arbeits- und Alltagswelt der Sexarbeiterinnen statt, ohne dass die Frauen aktiv nach einem passgenauen Beratungsangebot suchen müssten.
Neben der aufsuchenden Arbeit stellt die individuelle Beratung und Begleitung der in der Prostitution tätigen Frauen einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit von Tamar dar. Die Beratung erfolgt niederschwellig und klientinnenzentriert, telefonisch oder persönlich. Die Anliegen und Wünsche der jeweiligen Personen stehen im Zentrum.

Um Sexarbeiterinnen bei ihren Anliegen innerhalb und außerhalb der Prostitutionstätigkeit zu unterstützen, bilden Kooperationen mit anderen Beratungsstellen oder Behörden eine wichtige Grundlage. Das Netzwerk hat TAMAR immer weiter ausgebaut. Zu den wichtigsten Kooperationspartner*innen gehören Ordnungsämter, Gesundheitsämter, Jobcenter, Sozialämter, Polizei, Ausländerbehörden, Finanzämter, Steuerberater*innen, Frauenberatungsstellen, Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Frauenhäuser.
Des Weiteren beteiligt sich TAMAR an unterschiedlichen kommunalen Arbeitskreisen und Netzwerken (z.B. Runde Tische gegen Gewalt an Frauen) und berichtet dort von ihrer Arbeit. TAMAR ist überregional Mitglied im Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiter*innen e.V. (BUFAS).
Darüber hinaus initiierte TAMAR bereits mehrere „Runde Tische Prostitution“, an dem Vertreter*innen der unterschiedlichen Behörden, Institutionen und Initiativen beteiligt waren.

TAMAR Prostituierten- und Ausstiegsberatung
Feldmühlenweg 17 | 59494 Soest | Tel.: 02921 371244 | Fax: 02921 37 12 48
e-Mail: info@tamar-hilfe.de I Internet: www.tamar-hilfe.de

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