(Februar 2021)
„Wie können wir in einer globalisierten Welt füreinander einstehen – so dass unser „Weltenhaus“ auf gutem Grund steht und alle trägt?“, fragt Claudia Montanus in den Vorbereitungs-Werkstätten zum diesjährigen Weltgebetstag.
„Wie können wir in einer globalisierten Welt füreinander einstehen – so dass unser „Weltenhaus“ auf gutem Grund steht und alle trägt?“, fragt Claudia Montanus in den Vorbereitungs-Werkstätten zum diesjährigen Weltgebetstag (WGT). Vanuatu liegt am anderen Ende der Welt. Zwischen Australien und Fidschi gelegen, sind die 83 Inseln ein Paradies im Südpazifik: türkisblaues Meer, vielfältige Tier- und Pflanzenwelt, Vulkane und Regenwald - ein UNESCO-Kulturerbe bieten. Nicht paradiesisch sind hingegen Erdbeben und Tropenstürme, die das Land immer wieder treffen. Zyklon Pam zerstörte 2015 große Teile des Landes, Menschen starben und verloren ihr Zuhause. Im Frühjahr 2020 folgte Zyklon Harold. Jahr für Jahr bauen die Ni-Vanuatu, wie die Menschen auf Vanuatu heißen, ihr Zuhause mühsam wieder auf.
Passend dazu lautet das Motto aus Vanuatu: „Worauf bauen wir?“ Im Mittelpunkt steht am ersten Freitag im März, am 5. März 2021, der Bibeltext aus Matthäus 7, Vers 24 bis 27. Mit ihrem Gottesdienst wollen die Frauen aus Vanuatu ermutigen, das Leben auf den Worten Jesu aufzubauen, die felsenfester Grund für alles menschliche Handeln sind. Denn nur das Haus, das auf festem Grund stehe, werden Stürme nicht einreißen, heißt es in der Bibelstelle. Frauen aus Vanuatu teilen den Christ*innen in aller Welt mit: „Unser Handeln ist entscheidend!“
Klimawandel ist auf Vanuatu ein überlebenswichtiges Thema. Die steigenden Wassertemperaturen gefährden Fische und Korallen. Durch deren Absterben treffen die Wellen mit voller Wucht auf die Inseln und tragen sie Stück für Stück ab. Der Meeresspiegel steigt, Überschwemmungen vernichten die Lebensgrundlagen, denn 80 % der Bevölkerung lebt vom eigenen Anbau. Ein Ansatz zum Schutz der Inselgruppen: Seit 2018 gilt ein rigoroses Plastikverbot, der mit hohen Strafen bei Verstoß geahndet wird.
Problematisch in Vanuatu ist das Geschlechterverhältnis: Frauen sind für die Versorgung, Ernährung und Finanzierung der Familie zuständig, haben im öffentlichen Raum keine Funktionen oder Mandate und sind von der Gewalt ihrer Männer betroffen. Mit seiner Projektarbeit unterstützt der WGT Frauen und Mädchen auch auf Vanuatu. In einem vom WGT unterstützten Projekt werden die Dorfältesten für die Problematik sensibilisiert und der Dialog zwischen Eheleuten gefördert.
„Es geht darum, in Solidarität informiert zu beten und betend zu handeln“, hält die WGT-Beauftragte der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen, Claudia Montanus, fest. Jedes Jahr befasst sich der WGT mit der Lebenssituation von Frauen eines anderen Landes. Am 1. Freitag im März wird der Tag weltweit in über 100 Ländern gefeiert. Dafür werden Informationen über Politik, Religion, Kultur und die soziale Situation vor Ort, landestypische Rezepte, Musik, Literatur und Bräuche vermittelt.
Coronabedingt mussten alle bewährten Präsenzwerkstätten in digitale Formate geändert werden. Mit Videotreffen, einer virtuellen Bibliothek und analogem Postpaket konnte nicht nur der gewohnte Umfang an Informationen, sondern auch ein kreativer Austausch gewährleistet werden. Die fast 100 Teilnehmenden, zwischen 20 und Mitte 70, knüpften z.B. am Ende ein virtuelles Segensband aus den grünen WGT-Bändchen horizontal durch den Bildschirm. Durch das Postpaket erlebten sie das vanuatische Überlebenspaket: Das so genannte „Desaster-Food-Paket“ ist ein aus Maniokwurzeln, in Bananenblätter verpacktes Überlebenspaket, das vergraben wird. Nach Katastrophen wird dieses ausgegraben, so dass Essen zur Verfügung steht. Für die Teilnehmerinnen bestand es u.a. aus Muschel, Samentüte und Fruchtriegel.
Auf die Frage, was ihr selbst am eindrücklichsten erschien bei den diesjährigen Werkstätten, antwortet eine Teilnehmerin ohne Zögern: „Die „Goldene Regel“: Verhalte dich so, wie du behandelt werden möchtest. – Wenn wir weltweit mit Achtung vor Natur, Mensch und Tier agieren und in Solidarität füreinander einstehen, kann auch das traumhaft schöne Vanuatu bewahrt bleiben, statt immer weiter unterzugehen… Müsste das nicht hinzubekommen sein?“
Aufgrund der anhaltenden Schutzbestimmungen wurden im Verband der Frauenhilfe alternative Ideen entwickelt, um am 5. März die Anliegen der Frauen aus Vanuatu zu Gehör zu bringen. Claudia Montanus arbeitete dafür vier Vorschläge aus: einen Telefongottesdienst zu zweit, einen WGT-Rundgang rund um die Kirche, eine Desaster-Überlebens-Tüte zum Verschenken und eine WGT-Andacht für Zuhause. Viele weitere Ideen sind im Umlauf, so dass die WGT-Koordinatorin sich sicher ist: „Der Weltgebetstag aus Vanuatu wird in diesem Jahr stattfinden: analog und digital, vielfältig und kreativ!“
Seit über 100 Jahren engagieren sich Frauen über Länder- und Konfessionsgrenzen hinweg für den WGT und machen sich stark für die Rechte von Frauen und Mädchen in Kirche und Gesellschaft. Alleine in Deutschland besuchten in den vergangenen Jahren hunderttausende Menschen die Gottesdienste und Veranstaltungen. Die Kollekten bei den Gottesdiensten fließen in internationale Frauen-Projekte und helfen dabei direkt vor Ort.
Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen engagiert sich seit Jahrzehnten für die ökumenische Basisbewegung und ist regionale Koordinations-, Informations- und Vorbereitungsstelle für den WGT. Trotz der erschwerten Bedingungen hört Claudia Montanus von zahlreichen Menschen: „Wir vergessen die Frauen aus Vanuatu nicht. Wir nehmen das zunehmende Desaster dort wahr und ernst, das durch unseren westlichen Lebensstil verursacht ist. Und wir werden zulassen, dass die Goldene Regel unser Herz und unseren Geldbeutel öffnet.“