In OWL bleibt Menschenhandel eine große Herausforderung

(März 2021)

In OWL bleibt Menschenhandel eine große Herausforderung (März 2021)

„Alles ist ganz anders, aber vieles ist auch wie immer“, fasst Corinna Dammeyer von der spezialisierten Beratungsstelle für Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind, NADESCHDA, das vergangene Jahr zusammen. „Die Hoffnung auf ein besseres Leben im vermeintlich reichen Europa bringt viele Frauen weiterhin dazu, das Risiko einer ungewissen Zukunft einzugehen. Sie werden jedoch in der Regel bewusst getäuscht und ihnen wird verschwiegen, dass sie in der Prostitution arbeiten sollen“, fügt die Leiterin, Birgit Reiche, hinzu.

Im Jahr 2020 waren 83 Frauen in der Betreuung, davon 3 Schwangere, und 24 Kinder. Während in den ersten Jahren von NADESCHDA ca. 75% der Klientinnen durch die Polizei vermittelt wurden, sind es im Jahr 2020 lediglich 7%. 53% der Betroffenen wurden von anderen spezialisierten Beratungsstellen aus dem ganzen Bundesgebiet vermittelt.

„Zwischenzeitlich wollte ich schon aufgeben, doch jetzt geht es mir wieder etwas besser“, berichtet eine Klientin. Viele der Frauen, die mit der Zwangsprostitution traumatisierende Erfahrungen machen mussten, leiden lange unter Schlafstörungen, körperlichen Beschwerden, starken Stimmungsschwankungen, Angstattacken und depressiven Phasen. „Oft begegnen wir auch einer grundlegenden Unsicherheit und einem Vertrauensverlust, der aus der Demütigung und Hilflosigkeit entstanden ist“, erzählt Mira von Mach, Mitarbeiterin von NADESCHDA.

Psychologische Beratung und Krisenintervention erhielten 2020 insgesamt 16 Klientinnen in den Sprachen Deutsch, Englisch oder Französisch, davon war die jüngste 19, die älteste 44 Jahre alt. Zum einen erlebten die Frauen im Heimatland Belastendes wie z.B. Zwangsverheiratung, drohende Genitalverstümmelung der Tochter und andere Gewalterfahrungen. Abschied aus der gewohnten Umgebung, ein mühevoller und gefährlicher Fluchtweg, die Zwangsprostitution und das Entkommen daraus, und dann die oft monatelange, wenn nicht sogar jahrelange Ungewissheit der Bleibeperspektive in Deutschland kommen noch hinzu.

„Uns ist es wichtig, weiterhin verlässliche und gute Ansprechpartnerinnen zu sein - für unsere Klientinnen, aber auch z.B. für Behörden, Polizei und andere Beratungsstellen“, hält Corinna Dammeyer fest. „Administrative Aufgaben sind im Homeoffice zu erledigen, aber die soziale Arbeit bedarf persönlicher Kontakte. Insbesondere neue Klientinnen, die noch keine Anknüpfungspunkte in Deutschland haben, müssen intensiv weiter betreut werden“, ergänzt ihre Kollegin von Mach. Einzelgespräche wurden z.T. an die frische Luft verlegt, mit Abstand, zunächst auf den Balkon der Beratungsstelle und dann im Herbst und Winter bei entspannten Spaziergängen. „Einige Klientinnen waren erst skeptisch und dann begeistert“, erinnert sich Dammeyer.

Das ständige Hin und Her im letzten Jahr erschwerte die Situation der Klientin wie auch die der Beraterinnen. Bildungsangebote wie Sprach- und Integrationskurse wurden gestoppt, wieder aufgenommen und wieder gestoppt Gleichzeitig erwarte das Ausländeramt von ihnen Integration und Weiterentwicklung, insbesondere bei den sprachlichen Fähigkeiten, berichten die erfahrenen Beraterinnen. „Die Kontaktreduzierung verstärkt auch bei unseren Klientinnen die Gefühle von Einsamkeit und Isolation“, konstatiert von Mach. Daher führen die Mitarbeiterinnen von NADESCHDA ihre Angebote wie Hausbesuche, Beratung in der Erstaufnahme in Bielefeld, Begleitung zu Behörden, Ärzt*innen, Rechtsanwält*innen usw. weiter, ohne gleichzeitig ihre eigene Arbeitsfähigkeit außer Acht zu lassen.

Hintergrund

Finanziert wird die Beratungsstelle NADESCHDA durch Landesmittel des ‚Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung‘, durch Projektmittel der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung aus dem Bundesprogramm „Empowerment von Flüchtlingsfrauen“, durch Sondermittel der Evangelischen Kirche von Westfalen für die Flüchtlingsarbeit, durch die Stadt Bielefeld sowie die Kreise Gütersloh, Herford, Höxter, Lippe, Minden-Lübbecke und Paderborn. Die Trägerin der Beratungsstelle, die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V., übernimmt alle durch die Zuschüsse ungedeckten Kosten, der einschließlich kirchlicher Zuschüsse und Spenden, bei über 20% der Finanzierung der Arbeit der Beratungsstelle liegt.

Weitere Informationen unter www.nadeschda-owl.de

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