Prostitution in der Pandemie

(Dezember 2021)

Prostitution in der Pandemie (Dezember 2021)

Die Prostituierten-Beratungsstelle „Tamar“, die auch viele Frauen im Kreis Soest betreut, hat durch die Corona-Pandemie ein ganz neues Aufgabenfeld bekommen.
Zu den Tätigkeitsschwerpunkten von „Tamar“ zählen unter anderem die Verhandlungen mit Ämtern und die Begleitung dorthin, Krisenintervention, Hilfe bei sozialrechtlichen Fragen und auch die individuelle psychosoziale Beratung und Begleitung. Die Beratungsstelle will den Frauen eine Lebensperspektive in und auch nach der Prostituti­on geben und damit einen Beitrag zur „Verringerung von Diskriminierung und Kriminalisierung“ und zur Aufklärung über Inhalte des Prostituiertenschutzgesetzes leisten.

Durch die Pandemie sei es für die „Tamar“-Mitarbeiterinnen schwieriger geworden, die Frauen direkt vor Ort zu treffen. „Wir haben uns Campingstühle und Tische ins Auto geladen und uns mit den Frauen draußen getroffen“, so Sabine Reeh, Mitarbeiterin der Beratungsstelle. Seit der Corona-Pandemie gibt es für „Tamar“ aber auch ein neues Aufgabenfeld: die Begleitung zu Impf-Angeboten. Problematisch dabei sei oftmals, dass die Frauen nicht krankenversichert seien und daher nicht in einer Arztpraxis geimpft werden können. „Deshalb sind viele von ihnen auf niedrigschwelligem mobile Impf-Angebote angewiesen.“ So wurde beispielsweise häufig auf Impfbusse zurückgegriffen.

Ganz zu Beginn der Impf-Kampagne seien viele der Sexarbeiterinnen einer Impfung gegenüber skeptisch gewesen, berichtete Sabine Reeh. „Es hat viel Zeit und Informationen gebraucht, um die Frauen für die Bedeutung der Impfung zu sensibilisieren.“ Wichtig dabei – wie grundsätzlich in vielen Beratungsgesprächen – sei die Unterstützung von Dolmetscher*innen gewesen.

Seit Oktober 2014 bis heute wurden im Kreis Soest 708 Prostituierte bei der sogenannten aufsuchenden Arbeit von „Tamar“-Mitarbeiterinnen angetroffen, davon 45 Frauen seit Juni 2021, als die Prostitutionsbetriebe wieder öffnen durften. Die meisten dieser 708 Frauen (37 Prozent) kommen aus Rumänien. 20 Prozent sind Bulgarinnen, 10 Prozent kommen aus Russland, jeweils 9 Prozent aus Polen und Deutschland, die übrigen 15 Prozent seien spanischer, türkischer, afrikanischer, albanischer, ukrainischer oder unbekannter Herkunft. „Sie waren der Pandemie-Situation alle erst einmal sehr hilflos ausgesetzt.“ Viele Frauen haben sich laut Reeh zeitnah aufgrund von Existenzängsten an „Tamar“ gewandt, als sie ihren Beruf nicht mehr ausüben durften.

Auch jetzt sei die Angst vor einem erneuten Prostitutionsverbot als Eindämmungsmaßnahme von Corona groß. Mittlerweile, so die Beraterin, dürften die Frauen in vielen Betrieben nur noch arbeiten, wenn sie einen Impfausweis vorlegen. „Ein Schnelltest reicht vielerorts nicht mehr aus. Das setzt sich weiter fort.“
Weitere Infos unter www.tamar-hilfe.de

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