256 Menschen beraten von der
Frauenberatung Soest
(Februar 2023)
„Es braucht mehr Aufklärung, damit Gewalt gegen Frauen kein Tabuthema mehr ist und Betroffene sich trauen, Hilfe in Anspruch zu nehmen und diese dann auch bekommen“, sind sich Lena Sauerland, Barbara Batzik und Sawina Kordistos einig. Die drei sind Mitarbeiterinnen der Frauenberatung Soest und wissen, wovon sie sprechen. Im letzten Jahr wurden 256 Menschen in 869 Gesprächen beraten.
199 von ihnen hatten in dem Jahr 2022 zum ersten Mal Kontakt zu der Beratungsstelle. Die Allgemeine Frauenberatungsstelle im Kreis Soest existiert seit Ende 2020. Mehr als 50 % der Ratsuchenden kamen aus den Städten Soest, Lippstadt, Werl und Warstein. Beratungen finden in den Räumen der Beratungsstelle in Soest statt; regelmäßige Sprechstunden werden auch im Stadthaus in Lippstadt und im Rathaus in Warstein angeboten. 27 Mal wurden Frauen zu Gerichtsverhandlungen, Vernehmungen bei der Polizei, Anwält*innen, Ärzt*innen oder Vergleichbares begleitet. 58 % der Frauen sind zwischen 26 und 50 Jahren, 5 % über 60 Jahre und 15 % minderjährig. 20 % der Ratsuchenden leben alleine, 43 % leben mit ihren Kindern zusammen. Über die Hälfte der Ratsuchenden besitzt eine deutsche Staatsangehörigkeit ohne Zuwanderungsgeschichte.
„Die Zahlen in 2022 verdeutlichen: Die Frauenberatungsstelle steht für alle frauenrelevanten Fragen zur Verfügung“, stellt Barbara Batzik fest und Sawina Kordistos ergänzt: „Die Ratsuchenden finden - auch ohne von Gewalt betroffen zu sein - psychosoziale Beratung und weitere Hilfen, um persönliche - auch allgemeine - Probleme zu lösen, eine Krise zu bewältigen oder Entscheidungen zu treffen.“ Knapp 43 % der Frauen nennen Trennung, Scheidung oder Beziehungsprobleme als Beratungsanlass 2022. Bei gut 30 % der Ratsuchenden ist der (Wieder-) Aufbau des Selbstwertgefühls der Frauen wichtiger Inhalt des Prozesses. 63 % der Frauen nennen „erlebte Gewalt“ - physisch oder psychisch - als Beratungsanlass in 2022. Bei 23 % der Frauen ist das Thema sexualisierte Gewalt das Hauptthema im Beratungsprozess. Weitere Themen sind Stalking, Belästigung und Mobbing. In 10 % der Fälle erleben die Ratsuchenden Stalking.
Beratungsanlass sexualisierte Gewalt
Seit April 2022 ist die Frauenberatung Soest erweitert um die „Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt“. „Sexualisierte Gewalt begegnet uns in sämtlichen Lebensbereichen und vielfältigen Kontexten: in einer Partnerschaft oder in der Familie, im Büro oder auf einer Party, im Sportverein oder im Internet“, erläutert Lena Sauerland und fügt hinzu: „Dabei kann sexualisierte Gewalt in ganz unterschiedlichen Formen auftreten. Beispiele sind sexuelle Belästigung, das Verbreiten von intimen Fotos gegen den Willen der Betroffenen, Bemerkungen von Kolleg*innen im Job, unerwünschte Berührungen, aber auch eine Vergewaltigung durch den*die eigene*n Partner*in oder eine*n Fremde*n. Auch sexualisierte Gewalt in (Sport-)Verbänden, Vereinen oder kirchlichen Einrichtungen und Institutionen gerät zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit.“
Beim Anlass „sexualisierte Gewalt“ handelt es sich bei 66 % der Nennungen im Beratungskontext um Vergewaltigung bzw. sexuelle Nötigung. In mehr als 43 % der Fälle wurde eine Tat durch den bzw. die (Ex-)Partner*in begangen. 20 % der von sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen erlebte sexuelle Belästigung. 25 % der Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, erlebten Taten gegen ihre sexuelle Selbstbestimmung bereits in der Kindheit.
Bedarfsgerechte kostendeckende öffentliche Finanzierung
Für eine bedarfsgerechte Beratung und Begleitung schutzsuchender Frauen ist eine verbindliche öffentliche Finanzierung, die dem Auftrag der Allgemeinen Frauenberatung und der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt entspricht und den tatsächlichen Bedarf refinanziert, unerlässlich. „Die Frauenberatung Soest erhält zwar sowohl Fördermittel des Landes als auch des Kreises Soest“, erläutert Pfarrerin Birgit Reiche, Leiterin der Beratungsstelle. „Zugleich verbleibt jedoch ein erheblicher Eigenteil von 10 %, der von der Trägerin, der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e. V., aufgebracht werden muss.“ Mehr denn je sei die Frauenberatung auch auf Spenden angewiesen, bis eine kostendeckende und bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung existiere, nur so kann ein niedrigschwelliger Zugang für alle von Gewalt betroffene Frauen gewährleistet werden.
Umfassende Umsetzung der Istanbul Konvention
„Die zeitnahe umfassende Umsetzung der Istanbul Konvention sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene gilt es einzufordern“, fügt sie hinzu. Die Istanbul Konvention gilt seit fünf Jahren in Deutschland und ist jedoch in einigen wichtigen Passagen nicht umgesetzt. „So gilt es auch die vertrauliche Spurensicherung – wie in Artikel 25 der Istanbul Konvention ratifiziert – umfassend umzusetzen und zeitnah eine niedrigschwellige und umfassende Versorgung Betroffener nach sexualisierter und körperlicher Gewalt aufzubauen, dezentrale Angebote zu implementieren und kurze Wege sowie eine niedrigschwellige Erreichbarkeit der Angebote sowohl in Kliniken als auch in niedergelassenen Praxen zu gewährleisten,“ so Reiche.
Hintergrund
Die Allgemeine Frauenberatungsstelle im Kreis Soest stellt seit dem 01.12.2020 eine notwendige Ergänzung im Netz der Hilfen im Kreis Soest dar. In die Landesförderung NRW neu aufgenommen füllt sie mit ihren niedrigschwelligen und sozialraumnahen Hilfe- und Beratungsangeboten eine bestehende Lücke.
Zum April 2022 wurde die Arbeit der Frauenberatung Soest erweitert. Neben der „Allgemeinen Frauenberatungsstelle im Kreis Soest“, gibt es jetzt zusätzlich die Förderung des Landes und des Kreises für eine „Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt“. Neben Barbara Batzik und Lena Sauerland komplettiert seit August 2022 Sawina Kordistos das Team. Die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt ist Anlaufstelle für Fragen und Anliegen rund um das Thema sexualisierte Gewalt.
Die Frauenberatung Soest ist in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Weitere Informationen
Weitere Informationen unter www.frauenberatung-soest.de