Zum Jubeln kein Anlass

(Mai 2023)

Zum Jubeln kein Anlass  (Mai 2023)

33 Jahre Frauenhaus Soest - Anlässlich dieser Schnapszahl ziehen die Leiterin des Frauenhauses, Maike Schöne, und die Leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen, Birgit Reiche, eine nachdenklich stimmende Bilanz. Die Gewaltschutz-Einrichtung sei leider in der Regel voll belegt. Durchschnittlich 6.000 Belegtage zählt das Frauenhaus jährlich, 2022 waren es gut 7.000. Umrechnen auf Schutz suchende Frauen lässt sich die Zahl nur ungefähr: etwa 30 bis 60 dürften es jedes Jahr gewesen sein. So gerechnet hätte das Frauenhaus Soest etwa 1.500 Frauen in den 33 Jahren Zuflucht geboten.

Viel besser als ein seit Jahren ausgelastetes Haus wäre eine Welt, in der es Frauenhäuser gar nicht geben müsste, betonen Schöne und Reiche. Allerdings seien Schätzungen zufolge, jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. 20% der Frauen – so Schätzungen -, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, suchen das Frauenhaus auf.
Es sei nicht leicht, im Frauenhaus unterzukommen, machen beide deutlich: Die Plätze sind rar im Kreis Soest. Acht Frauen können dort mit ihren Kindern unterkommen, zum Teil ohne Kinder, zum Teil auch mal mit fünf. In NRW gibt es insgesamt 67, bundesweit 182 Frauenhäuser – aber freie Plätze finden sich nicht ständig.

Die Kontaktaufnahme erfolgt meist telefonisch“, erläutert Maike Schöne. Die Frauen kommen aus allen sozialen Schichten, nicht nur aus dem Kreis Soest, manche bleiben nur für eine Nacht, andere brauchen Monate, bis sie ausziehen. In ihrem Arbeitsalltag habe sie es mit immer komplexeren Problemlagen zu tun, berichtet Maike Schöne, „gesellschaftliche und soziale Beeinträchtigungen wachsen.
In den meisten Fällen übernimmt das Jobcenter die Wohnkosten in Höhe von 28 Euro pro Frau, pro Kind. Wer nicht leistungsberechtigt ist, muss selber zahlen. Das habe sie zu Beginn ihrer Tätigkeit schockiert, berichtet Maike Schöne. „Kinder sind immer auch von häuslicher Gewalt betroffen“, weiß Maike Schöne. Daher ist es gut, dass es demnächst zusätzlich eine sozialpädagogische Stelle für sie geben wird. Der Kreistag hat jüngst der Finanzierung dieser Stelle zugestimmt, um die Kinder adäquat zu betreuen.

Das Frauenhaus sei finanziell faktisch angewiesen auf eine Vollbelegung, rechnet Pfarrerin Reiche vor. Es gäbe Sachkostenzuschüsse, die den Betrieb sichern, aber die im gleichen Maße steigen wie zum Beispiel die Preise für Strom, Wasser und Heizung. In 33 Jahren sei eine politische Forderung stets gleichgeblieben, so Reiche: „Wir brauchen für die Frauenhäuser eine bundeseinheitliche, auskömmliche Finanzierung.
Die Finanzierung des Personals sei auch ein großes Problem. Im Frauenhaus Soest arbeiten fünf Mitarbeiterinnen auf vier Vollzeitstellen. Nachts ist keine Fachkraft da, auch am Wochenende bleiben die Frauen im Haus unter sich, abgesehen von Rufbereitschaften. Eine Stelle ist zu etwa 80 % durch Landesmittel und Kreiszuschüsse refinanziert. Bei einer Berufsanfängerin würde der Anteil auf bis zu 85 % ansteigen – aber es brauche erfahrene Mitarbeitende in einem Arbeitsfeld mit traumatisierten Menschen.
Immerhin war das Spendenaufkommen für unser Frauenhaus in den letzten Jahren gut“, meint Birgit Reiche. Denn neben den jährlichen finanziellen Lücken für die Personal- und Sachkosten seien auch die Investitionen für das Gebäude durch die Zuschüsse nicht gedeckt und Anteil der Trägerin.

Aufgrund der Selbstverpflichtung Deutschlands nach der Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, liegt der Bedarf an Frauenhaus-Plätzen im Kreis Soest bei 30. Zehn Plätze pro 100.000 Einwohner sind demnach vorzuhalten. Im Kreis Soest gibt es nur die 8 Plätze. „Pläne für eine Verdopplung der Plätze haben wir, einen Förderantrag ist seit November 2021 gestellt“, erklärt Pfarrerin Reiche. Die Bundesservicestelle, die das Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) koordiniert, hat jedoch im April 2023 die Trägerin darum gebeten, den Förderantrag ruhend zu stellen. Das Programm laufe bis Ende 2024 und die Antragsbearbeitungszeit der Servicestelle mache die Umsetzung in 2024 unwahrscheinlich. Eventuell werde sich aber der Förderzeitraum des Bundes verlängern. „Derzeit prüfen wir andere Finanzierungsmöglichkeiten für die Verdopplung der Plätze“, erklärt Pfarrerin Reiche.

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