„Es ist wichtig, nicht über sie, sondern mit ihnen zu reden!“

(Juni 2024)

„Es ist wichtig, nicht über sie, sondern mit ihnen zu reden!“ (Juni 2024)

Sexarbeit ist mit einem Stigma belegt. Um das zu ändern, gibt es unter anderem seit 1975 den Welthurentag. Mehr als hundert Prostituierte hatten damals die Kirche Saint-Nizier in Lyon in Frankreich besetzt, um auf ihre schlechte Situation hinzuweisen. Unruhen im ganzen Land und polizeiliche Repressalien waren die Folge. Der inoffizielle Gedenktag wird jährlich am 2. Juni veranstaltet.

Menschen, die sich nicht nur am 2. Juni, sondern rund ums Jahr mit dem Thema befassen, sind die Mitarbeiterinnen der Frauenberatungsstellen THEODORA und TAMAR. Sie sind Anlaufstelle für Frauen in der Prostitution in Ostwestfalen-Lippe (OWL), Teilen des Münsterlandes, Teilen Südwestfalens und der Stadt Hamm. Alle drei Beratungsstellen sind in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. (EFHiW). Mitarbeiterinnen von THEODORA und TAMAR suchen aus Anlass des Internationalen Hurentages seit Jahren sämtliche Prostitutionsbetriebe mit einem kleinen Geschenk auf, um ihre Solidarität zu zeigen.

Jedes Jahr machen Sexarbeiter*innen am 2. Juni auch in Deutschland auf bestehende Diskriminierungen aufmerksam und fordern ihre Rechte ein. Auch heute noch sind Sexarbeiter*innen gesellschaftlicher Stigmatisierung, moralischer Verurteilung, Mehrfachdiskriminierung und Ungleichbehandlung ausgesetzt. „Es ist wichtig, nicht über sie, sondern mit ihnen zu reden“, sind sich die Mitarbeiterinnen der Beratungsstellen der EFHiW einig.

Prostitution wird oft mit Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Verbindung gebracht. Die Frauen, die die Beraterinnen bei der aufsuchenden Arbeit in den Prostitutionsstätten treffen, arbeiten zumeist legal und freiwillig. Erfolgt die Prostitution unfreiwillig, ist es Zwangsprostitution. „Wir halten eine strikte Trennung der Themenbereiche Menschenhandel und Sexarbeit für unabdingbar. Menschenhandel ist strafbar und muss selbstverständlich in aller Konsequenz verfolgt werden“, erklärt Pfarrerin Birgit Reiche, Geschäftsführerin der EFHiW. Der Frauenverband ist seit 1997 auch Trägerin der Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, NADESCHDA. „Manchmal stellt sich erst im Gespräch mit der Klientin heraus, dass Zwang ausgeübt wird. Dann schalten wir z.B. in OWL die Fachberatungsstelle NADESCHDA für die weiteren Maßnahmen ein“, erläutert Pfarrerin Anne Heckel, die das Geschäftsfeld der Anti-Gewalt-Arbeit der EFHiW leitet.

Sexarbeit ist eine gesellschaftliche Realität in Deutschland. Die drei Beratungsstellen konnten im Jahr 2023 neue Kontakte zu 611 Sexarbeiterinnen in OWL, zu 194 Frauen in den Kreisen Steinfurt, Borken und Coesfeld und zu 220 Frauen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein, Olpe, Soest sowie in der Stadt Hamm erhalten. Die Mehrheit der Frauen sind Migrantinnen. Viele Prostituierte können aufgrund ihrer geringen Deutsch-Sprachkenntnisse und ihres fehlenden Wissens über das deutsche Sozialsystem nicht nach adäquaten Beratungsangeboten suchen. Die Mitarbeiterinnen beraten und begleiten Frauen, die in Clubs, Bars, Appartements, Wohnungen, Wohnwagen, Kneipen oder auf dem Straßenstrich sexuelle Dienstleistungen anbieten. Die Arbeit der Beratungsstellen trägt dazu bei, Sexarbeitende zu unterstützen, ein informiertes und unabhängiges (Berufs-)Leben zu entwickeln und ihnen dabei bedarfsorientiert zur Seite zu stehen.

Weitere Informationen

Weiteres unter www.theodora-owl.de, www.tamar-hilfe.de oder www.nadeschda-owl.de

 

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