(Oktober 2024)
„Weibliche Genitalbeschneidung mag wie ein marginales, gesellschaftlich irrelevantes Thema klingen,“, stellt Corinna Dammeyer fest, „aber das ist es nicht.“ Eine von zwei Fachstellen des NRW-weiten Projekts YUNA zur Prävention von weiblicher Genitalbeschneidung (FGM/C) sitzt in Herford. Mädchen und Frauen in Westfalen und Lippe sollen durch die Fachstelle YUNA Westfalen-Lippe Hilfe und Ansprechpartnerinnen erhalten. Im Fokus der Arbeit stehen dabei regionale Vernetzung, (Fach-) Beratung und Sensibilisierung durch Workshops.
„Laut terre des femmes aus dem Jahre 2022 sind in Deutschland etwa 104.000 Frauen von Genitalbeschneidung betroffen“, führt die Beraterin von YUNA Westfalen-Lippe aus. „17.700 Mädchen gelten als gefährdet.“ Laut derselben Statistik sollen allein in NRW 15.200 Frauen mit Beschneidung leben; 7.300 Mädchen sollen gefährdet sein.
Zusammen mit ihren Kolleginnen Anna Douti-Lauter und Janne Grotehusmann bildet die Diplom-Sozialarbeiterin das Team der Fachstelle YUNA Westfalen-Lippe. In der Bielefelder Straße 25 in Herford bieten sie Hilfe, Beratung und Workshops an.
Das sich neben der YUNA-Fachstelle in Köln, die für das Rheinland zuständig ist, die zweite Fachstelle ausgerechnet in Herford befindet, ist kein Zufall: „Es wurde zum einen ein Standort gesucht, der den eher ländlichen Raum NRWs abdecken sollte“, erläutert Anne Heckel, Geschäftsfeldleitung der Anti-Gewalt-Arbeit der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. (EFHiW). „Durch die Arbeit unserer Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, NADESCHDA hatten wir in Ostwestfalen-Lippe bereits ein starkes Netzwerk, Know-How und Kontakte, wenn es um die Thematik Menschenhandel, Flucht und Genitalbeschneidung geht“, erklärt Heckel. So sei das Ministerium schließlich auf sie zugekommen und YUNA Westfalen-Lippe nahm im November 2023 ihre Arbeit auf.
„Die Frauen und Mädchen sind oft traumatisiert; ganz abgesehen von den körperlichen Leiden haben sie Angst – oft auch vor der eigenen Familie“, erklärt Anna Douti-Lauter. Die examinierte Pflegekraft weiß aus zahlreichen Gesprächen mit den Klientinnen, dass der Druck oft von den Communities der Familien oder den Schwiegermüttern ausgeht.
„Weder in der Bibel, noch im Koran steht etwas von Genitalbeschneidung. Oft wird auch behauptet, eine unbeschnittene Frau sei hygienisch unrein“, erzählt Dammeyer. Diese Beispiele machen deutlich, dass weibliche Genitalbeschneidung oft mit Mythen und vermeintlichen religiösen Vorschriften begründet werden.
„Durch unsere Aufklärungsarbeit wollen wir aber auch präventiv gegen Genitalbeschneidung vorgehen“, erklärt Anne Heckel. Es sei immer noch ein Tabu-Thema und Sensibilisierung enorm wichtig. „Weibliche Genitalbeschneidung gegen den Willen der Person und ohne medizinischen Grund ist laut Strafgesetzbuch verboten und wird mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft – auch wenn die Beschneidung im Ausland durchgeführt wird“, verdeutlicht Corinna Dammeyer die Rechtslage.
YUNA NRW – zur Prävention von weiblicher Genitalbeschneidung (FGM/C) ist ein landesweites Projekt mit zwei Standorten und wird vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) NRW gefördert. Weiteres unter www.yuna-nrw.de
Die Fachstelle YUNA Westfalen-Lippe berät von Herford aus und befindet sich in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. Weitere Infos unter www.yuna-westfalen-lippe.de
Die Fachstelle YUNA Rheinland hat ihren Sitz in Köln und wird vom Verein LOBBY FÜR MÄDCHEN e.V. getragen. Zu den Aufgaben der Fachstellen zählen die regionale Vernetzung, (Fach-)Beratung und Sensibilisierung durch Workshops.
Die Fachstelle YUNA Rheinland bietet darüber hinaus landesweit Fortbildungen und Webinare an und übernimmt die Koordination von YUNA NRW.