Dokumentation

Verabschiedung von Angelika Weigt-Blätgen aus dem Amt der Leitenden Pfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. | 01.05.2021

Antje Heider-Rottwilm

Grußwort
OKR.in i.R. Antje Heider-Rottwilm

Liebe Angelika, Kollegin, Weggefährtin, Freundin,

vor 36 Jahren, 1985, um diese Zeit, waren wir zusammen in den Niederlanden.
Wir hatten eine Frauen-Friedens-Fahrt organisiert, Du als junge neue Pfarrerin mit Frauen der Frauenhilfe, ich mit Studierenden als deren Pastorin in Paderborn.

Es war ein aufregendes Projekt!
Z.B. hatten wir mit Catharina Halkes, Professorin am katholischen Lehrstuhl für Feminismus und Theologie in Nijmegen, ein Gespräch über das Thema ’Die Ängste der Grenzgängerinnen‘. So fühlten wir uns.
Ja, eine Grenzgängerin bist auch Du immer gewesen, eine mutige, erfahrene, kompetente Grenzgängerin in und zwischen allen Umbrüchen, Aufbrüchen, zwischen Frauen und Männern, Kirche und Diakonie, sog. Randgruppen und der gesellschaftlichen Normalität.

Dazu ermutigten uns damals die aufregenden Bücher von Elisabeth Moltmann-Wendel „Ein eigener Mensch werden“ und jener Catharina Halkes „Gott hat nicht nur starke Söhne“, die beide 1980 veröffentlicht wurden. Mit Heidemarie Langer und Hertha Leistner wagten wir uns mit Mirjam durch das Schilfmeer und mit Moltmann-Wendel ins Land, wo Milch und Honig fließt.

Trotz vieler bitterer Frauen-Erfahrungen vergewisserten wir uns mit Bärbel Wartenberg–Potter: „Wir werden unsere Harfen nicht an die Weiden hängen“ - und natürlich suchten wir mit Dorothee Sölle „Mystik und Widerstand“.

Ich bin auf einen alten Text von mir gestoßen aus der jener Zeit:
„Wir standen plötzlich – oder sage ich besser, erfuhren uns in einem unaufhaltsamen Prozess draußen, jenseits der Grenze der gewohnten Sprache, der Rituale und spirituellen Räume unserer vertrauten Kirchen.
Das war irritierend, schmerzlich, ja bedrohlich, denn wir haben die Grenzüberschreitungen sehr bewusst erlebt. (...) Fremd im eigenen Land des Glaubens ... und es war ein langer Weg zu einer Spiritualität, die im fremden Land wieder beheimatete.“

Und wie beglückend, dass Gottesdienstbücher, Gebetbücher, Bibelübersetzungen, Liturgien entstanden, die eine inklusive Sprache und einladende liturgische Formen zur neuen Beheimatung anboten. Du hast daran kräftig mitgearbeitet!

Ohne Dein unverdrossenes Engagement und Deinen Team-Geist wäre Vieles nicht gelungen: der junge Westfälische Theologinnentag in fragilem Einvernehmen mit dem ‚alten‘ Theologinnenkonvent, der lange Weg, der in die Gründung des Frauenreferates der EKvW mündete, die Einrichtung der westfälischen Arbeitsstelle „Ökumenische Dekade - Solidarität der Kirchen mit den Frauen“ und ihre Beheimatung hier in der Evangelischen Frauenhilfe in Soest.

In vielen Gremien gab es in den Jahren subtile oder auch heftige Auseinandersetzungen: Männer-Frauen-Streit, auch Schwesternstreit. Mittendrin mit klarer Stimme und dem Gewicht ihrer Verwurzelung in allen Gemeinden und Kirchenkreisen: Die Frauenhilfe! Angelika!

Wilfriede Neermann, die Vorsitzende, war hoch identifiziert und engagiert. Deinen Vorgänger, Albert Stutte, habe ich als erstaunt, abwägend, skeptisch, aber auch stolz erlebt!

Als ich 1990 hier die Dekade-Arbeit begann, wart ihr schon einen weiten Weg gegangen. Ich war sehr beeindruckt bei meinen Veranstaltungen in den verschiedenen Frauenhilfen und Kirchenkreisen. Ich traf informierte und interessierte Frauen, bereit zu jeder neuen Herausforderung – wie zum Beispiel die Kampagne gegen Kinderprostitution oder das Engagement gegen Frauenhandel, das schließlich zur Herforder Beratungsstelle Nadeschda führte.
Und der weltweite ökumenische Horizont der Frauenhilfsfrauen war selbstverständlich.

Angelika, Dich habe ich in den 7 Jahren Dekade als unverzichtbare und verlässliche Partnerin für kreative Gespräche und engagierte Projekte erlebt. Wie oft haben wir drüben im Eckzimmer zusammen mit Manuela gesessen und unsere Fäden gesponnen.

Du warst überall vernetzt und hast mir in der Frauenhilfe Deutschland und der Evangelischen Frauenarbeit den Rücken vor – durchaus auch skeptischen – Anfragen freigehalten.

Die Zeit reicht nicht zu beschreiben, wie wichtig mir Deine weitere Begleitung war - und ist -, etwa, als es um meinen weiteren beruflichen Weg und vor einigen Jahren den heraus aus dem Beruf ging.

Nochmal zurück zur Frauen-Friedens-Fahrt: In Leersum trafen wir damals eine Gruppe der ‚Frauen für den Frieden‘, die seit 1970 engagiert waren und uns neben ermutigenden Gesprächen verwöhnten mit den Worten „…die Friedensarbeit wird noch lange dauern, da müssen wir es schön haben…“

Ja, auch das liegt Dir: Eine schöne Umgebung für alle schaffen, eine schöne Sprache, schöne Liturgie und Theologie – auch Du selber bist einfach immer schön anzusehen!

In diesen Tagen vor 20 Jahren haben die Kirchen Europas die Charta Oecumenica unterzeichnet und damit auch die Aussage:
„Wir verurteilen jede Form von Gewalt gegen Menschen, besonders gegen Frauen und Kinder. Zur Versöhnung gehört es, die soziale Gerechtigkeit in und unter allen Völkern zu fördern, vor allem die Kluft zwischen Arm und Reich sowie die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Gemeinsam wollen wir dazu beitragen, dass Migranten und Migrantinnen, Flüchtlinge und Asylsuchende in Europa menschenwürdig aufgenommen werden.
Wir verpflichten uns, …die Stellung und Gleichberechtigung der Frauen in allen Lebensbereichen zu stärken sowie die gerechte Gemeinschaft von Frauen und Männern in Kirche und Gesellschaft zu fördern.“ (III.8)

Und ich spreche Dir mit Vers 13 aus dem 15. Kapitel des Römerbriefes, mit dem die Charta endet, zu:
„Gott, die Quelle aller Hoffnung,
erfülle dich in deinem Vertrauen
mit aller Freude und Frieden,
dass du von Hoffnung überfließt
durch das Wirken der heiligen Geistkraft.“

Also: Sister, carry on…